Aufstand der Eitlen und Inkonsequenten


Nach der Lektüre der Titelstory des dieswöchigen „Profil“ („Aufstand der Pfarrer“ in Nr. 35 vom 29. August 2011) über die nun offen zum Ungehorsam aufrufende katholische Pfarrerinitiative, als deren Kopf nunmehr der frühere Wiener Generalvikar und Caritas-Chef Helmut Schüller auftritt, komme ich aus dem Kopfschütteln kaum mehr heraus.

Kirchenreform und Reformation, das war das große Thema der Christenheit an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Die Folgen sind bekannt, wenn auch in Österreich für die katholische Seite kaum spürbar geworden, da der habsburgische Staat die (protestantische) Reformation mit Gewalt unterdrückt hat.

Konzentrieren wir uns in vulgärtheologischer Verkürzung auf das unterschiedliche Rollenverständnis des Pfarrers in der katholischen und in einer protestantischen Kirche.

Der protestantische Pastor oder die Pastorin ist Helfer oder Helferin der Gemeinde bei der Glaubenssuche. Er oder sie wird von der Gemeinde gewählt und angestellt, predigt, legt die Bibel aus und fördert Gemeindeaktivitäten (soziale und/oder karitative). Er oder sie übt das Amt als ganz normalen Beruf aus, darf leben wie du und ich, heiraten und eine Familie haben.

Der katholische Priester hingegen wird durch Weihe berufen, waltet am Altar von Weihrauchwolken umweht seines Amtes, das im Kern darin besteht, exklusiver mystischer Mittler zwischen dem christlichen Gott und den Gläubigen zu sein. Nur er darf die Sakramente spenden. Er wird in seiner Gemeinde von einer Kirchenhierarchie eingesetzt, die bis zum selbstproklamierten „Stellvertreter Christi auf Erden“, dem Bischof von Rom, dem Papst reicht, und der jeder Priester Treue und Gehorsam geschworen hat. Diese Hierarchie fordert nach den von ihr aufgestellten Regeln Ehelosigkeit (Zölibat) und sexuelle Enthaltsamkeit, weil dies zur unirdischen, abgehobenen Aura des Priesterstandes beiträgt.

Aus meiner Sicht wollen die Herren um Helmut Schüller einfach beides: den sexuell üppig gedeckten Tisch des Herrn Pastors und der Frau Pastorin, auch mehr kircheninterne Demokratie werktags vielleicht, sonntags dann aber bitte doch wieder das einschüchternd-beeindruckende Messzeremoniell und die geistliche Donnerstimme des katholischen Hirten, ohne dessen mystisches Abrakadabra die Gläubigen sich nicht an Leib und Blut Jesu Christi stärken könnten. Sie möchten einerseits keine Order aus dem erzbischöflichen Palais in Wien oder dem Vatikan mehr befolgen, andererseits aber auf ihre exklusive Rolle gegenüber den Laien nicht ganz verzichten müssen.

Mich bewegt diese Sache nur aus dieser sichtbar menschlichen Perspektive der Eitelkeit und der Inkonsequenz. Ob die katholische Kirche sich jetzt in eine fortschrittliche und eine traditionelle Fraktion spalten wird, ist mir im Grunde schnurzpiepegal. Ich gehöre keiner Religionsgemeinschaft an (und bin auch aus keiner ausgetreten). Ich bin wohl Agnostikerin.

Die laufende Diskussion stärkt nur meine Auffassung, dass Religion und Glauben nur Fragen der persönlichen spirituellen Überzeugung und Erleuchtung sein können. Jede soziale Organisation, die in Glaubensfragen hineinregiert, jede Hierarchie, die Regeln und verbindliche Auslegungen aufstellt, ist definitionsgemäß ein weltlich Ding, das irren kann und muss. Kein Papst, kein Konzil, kein Oberkirchenrat, kein einzelner Pfarrer, kein Guru und kein Prophet kann unfehlbar sein und uns sagen, wie wir „richtig“ leben und handeln. Nicht einmal die „Heiligen Schriften“ diverser Religionsstifter können das. Denn auch der Inhalt der christlichen Bibel wurde etwa mehrfach überarbeitet, neu kompiliert und zensiert, auch der Koran wurde von Mohammed nicht mit einem großen, dicken „imprimatur, ne varietur!“ (auf Arabisch halt, und natürlich gab es damals noch keine Druckerpresse) persönlich an seine Nachfolger übergeben sondern erst nach dem Tod des Propheten zusammengestellt.

Im Grund wissen wir nur zwei Dinge gewiss: dass wir sterben werden, und dass wir ein Gewissen haben.

Published in: on 29. August 2011 at 12:08  Comments (1)  
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One Comment

  1. Bravo, Tanja!!!
    Da bin ich ganz bei Dir!!!
    Nur wag ich nicht zu hoffen, daß dem Papst und dergleichen der Marsch geblasen werden wird . . .


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