Gut gemeint, furchtbar schlecht gemacht


Das kommt heraus, wenn ein österreichisches Bundesministerium eine Reihe von Expertinnen und Experten in ein Zimmer sperrt, ihnen den Auftrag erteilt, das Rad neu zu erfinden, und das Ergebnis anschließend von Angehörigen der hauseigenen Bürokratie politikgerecht durchspülen lässt: „Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus nach der Klassifikation in der derzeit gültigen DSM bzw. ICD“

Der Verein TransX hat dazu folgenden offenen Brief an die Bundesministerin für Gesundheit veröffentlicht:

„Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

WIR LASSEN UNS NICHT UNHEILBAR KRANK MACHEN!

Wir lehnen die vom Bundesministerium für Gesundheit im Juli veröffentlichten und nun schon zweimal revidierten „Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus nach der Klassifikation in der derzeit gültigen DSM bzw. ICD“ ab: Sie bezeugen kein Verständnis von Transsexualität, fordern Psy*s absurde Stellungnahmen ab und sind dank des Vorliegens internationaler Empfehlungen eine provinzielle Groteske.

Dilettantismus

An der Erstellung hat über 2 ½ Jahre lang ein Expertengremium gearbeitet. Die Endfassung wurde in dem Arbeitskreis nie diskutiert, sondern ministeriell erlassen. Sie strotzt von fachlicher Inkompetenz. Viele Experten wurden übergangen und vor den Kopf gestoßen.

Verständnis von Transsexualität

Für die Behandlung verweist das BMG auf eine Diagnose nach DSM 5 oder ICD 10, ohne festzulegen, welche der beiden teils widersprüchlichen Diagnosen anzuwenden ist. Dabei wird dem DSM 5 unterstellt, dass dessen Geschlechtsdysphorie eine Spannung zwischen dem Geburtsgeschlecht und dem empfundenen Geschlecht sei. Tatsächlich geht es aber um die Divergenz von zugewiesenen und empfundenen Geschlecht, welche ebenso wie der im ICD 10 definierte Transsexualismus durch einen Geschlechtswechel überwunden wird. Statt einer klaren Krankheitsdiagnose verlangt das BMG „die Prognose, dass die Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus aus heutiger Sicht (August 2014?) mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als dauerhaft eingestuft werden kann“.

Dies ist in mehrfacher Hinsicht absurd:

  1. kann eine Prognose nichts über das aktuelle Leiden aussagen,
  2. ist Transsexualität nicht unheilbar, sondern i.d.R. durch einen Geschlechtswechsel überwindbar,
  3. haben Psychiater, Psychologen und Therapeuten keine Methoden, um die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Geschlechtswechsel zu bewerten.

Offensichtlich soll mit dieser Formulierung die Behandlung verzögert und verhindert werden. Eine dauerhafte Transsexualität kann nur erwartet werden, wenn die Betroffenen nach dem Geschlechtswechsel sofort wieder im anderen Geschlecht anerkannt werden wollen oder – worauf die Empfehlungen wohl abzielen – wenn Transsexuellen der Geschlechtswechsel verunmöglicht wird.

Personenstandsrechtliche Aspekte

Die Empfehlungen enthalten auch einen Abschnitt zur Personenstandsänderung, in dem das BMG den Standesämtern anweist, wann diese eine Personenstandsänderung infolge eines Geschlechtswechsel gemäß § 41 PStG 2013 registrieren sollen. Diese Kompetenzüberschreitung des BMG wird durch das Zitieren der Gesetzesquelle als §16 PStG gekrönt.

Hier werden erstmals medizinische Diagnosen zur Anerkennung des Geschlechts verlangt. Dafür ist auch die Dauerhaftigkeit der Transsexualität (nicht der Geschlechtsidentität) zu prognostizieren.

Profund beurteilt kann Ihre Geschlechtsidentität nur durch Sie selbst werden. Wer ein Geschlecht wählt, wird es auch leben. Und das ist auch vom Staat anzuerkennen.

Anerkennung der internationalen Empfehlungen

Die österreichischen Empfehlungen behaupten, sich an den internationalen Standards of Care (SoC 7) der WPATH zu orientieren. Tatsächlich haben sie mit diesen von Experten regelmäßig überarbeiteten Empfehlungen kaum etwas zu tun: zu wesentlichen Aspekten der Behandlung, etwa zur Hormontherapie, zur Behandlung Jugendlicher oder von Personen, die ohne psychiatrische Untersuchungen über Jahre hinweg Hormone genommen haben, schweigt sich das BMG-Dokument aus und beschränkt sich auf die Zulassung zu Behandlungen.

Österreichs Transsexuelle brauchen keine Sonderbehandlung. Brauchen unsere Fachärzte und Krankenkassen wirklich eine? Warum will man sich gerade für Transgender in Österreich von der Globalisierung abkoppeln?

Wir bitten Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, diese Empfehlungen zurückzuziehen und die internationalen WPATH-Standards auch in Österreich anzuerkennen.

Mit freundlichen Grüßen

Eva Fels – TransX – Verein für TransGender-Personen

Wien, 11.10.2014″

Man kann auch mit einer Online-Petition gegen diesen Blödsinn protestieren: Wir lassen uns nicht unheilbar krank machen!
 

Psycho….und raus aus der Dusche!


Machen wir uns nichts vor: Transgender sind amtlich-schulmedizinisch „gestört“, Transvestiten im Besonderen leiden an F-64.1  „Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen“, einer „Störung der Geschlechtsidentität“ gemäß  Notation F-60 bis F-69 „Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ im Kapitel V „Psychische und Verhaltensstörungen“ des ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), des offiziösen Systems der diagnostizierbaren Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Natürlich leide ich aber überhaupt nicht, oder jedenfalls nicht an meiner geteilten Geschlechtsidentität, höchstens an der einen oder anderen Reaktion darauf in meiner sozialen Umwelt.

F-64.1 ist eine „Diagnose ohne Wert“, kein Psychiater, kein Psychotherapeut würde mich heutzutage allein deswegen behandeln, da müssten schon andere Krankheiten wie Depressionen oder schizophrene Persönlichkeitsstörungen dazukommen.

Aber genau das ist es! Diese schlimme „Verwandtschaft“ aus dem Reich der Psychopathologie, die man derzeit so schwer abschütteln kann. Die Paraphilien und Psychosen, die dich ständig wie böse Zaungäste aus den Nachbarabschnitten des ICD-10 anstarren, als wollten sie auf dich zeigen und dazu kreischen: „Haha, der…äh die da gehört auch zu unserem Verein!“ Man landet quasi in einem Topf mit Norman Bates, dem verrückten Serienkiller aus Alfred Hitchcocks Spannungsklassiker „Psycho“, der in der Rolle seiner toten Mutter grauenhafte Verbrechen begeht.

Es ist die soziale Stigmatisierung, die mit psychischen Erkrankungen bis heute verbunden ist.

Die Einordnung in diesen Katalog ist keine rein wissenschaftliche Frage, bzw. interagiert die Wissenschaft in dieser Frage mit der sozialen Realität. Was „normal“ und was „gestört“ ist, bestimmt in Wahrheit die Gesellschaft. Solange Homosexualität als ganz und gar unerwünscht, ja als Verbrechen galt, war sie auch eine Geistesstörung. Kaum war sie in den meisten Staaten aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, kippte man sie auch aus den wissenschaftlichen Diagnoseschlüsseln (im ICD war es meines Wissens erst 1990 soweit).

Doch die Freundinnen und Freunde aus den Reihen der Transsexuellen wehren sich derzeit teilweise mit befremdender Vehemenz gegen die Bewegung zur De-Pathologisierung von Erscheinungsformen der Transidentität. Doch das ist leicht erklärt. Die „Krankheit“, F-64.0 „Transsexualismus“, ist das Bindeglied zwischen Transsexuellen und den Leistungen der sozialen Krankenversicherung. Ohne Krankheit, keine Behandlung auf Kassenkosten. Daher lieber stigmatisiert durch eine Diagnose laut Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen) als pleite in Folge der Notwendigkeit, als Transfrau oder Transmann eine entsprechende Behandlung (lebenslange Hormontherapie, geschlechtsangleichende Operation etc.) zur Gänze aus eigener Tasche zu bezahlen.

Eine mögliche und konsequente Lösung wäre es, „Transsexualismus“ nicht mehr als psychische Störung sondern als körperliche Fehlentwicklung – nämlich eines Körpers, der nicht zur Psyche passt – zu definieren. Der logische Anknüpfungspunkt dafür liegt in der Behandlung. Behandelt wird ja bei Transsexuellen primär nicht die Psyche sondern der Körper, der dem Identitäts- bzw. Wunschgeschlecht so weit wie individuell notwendig angenähert werden soll. Aber das rührt an grundlegende Fragen der Medizin und Naturwissenschaft, an den Primat von Leib oder Seele, an die Endgültigkeit genetischer Determinierung des Menschen.

Die andere Möglichkeit – und auf sie deutet politisch-pragmatisch derzeit alles hin – wäre es, die F-64.x-Diagnosen bis auf im Wesentlichen F-64.0 einfach aus dem ICD zu streichen.

Egal wie, ich als Tivi möchte jedenfalls möglichst schnell raus aus „Bates‘ Motel“, weg vom Bild duschender Opfer und messerschwingender Verrückter in Mamas Kleidchen, hin zu einem Leben in Normalität, in dem mir keiner die Akzeptanz meiner femininen Seite mit dem Hinweis verweigern kann, ich sei ja….siehe oben!