Sommersonnenwende


Heute sind wir wieder einmal an dem Punkt, an dem der Jahresaufschwung endet, und der Jahresabschwung beginnt, kalendarisch jedenfalls.

Mir bedeutet dieser Tag in jedem Jahr sehr viel. Er ist eine beständig wiederkehrende Quelle der Melancholie. An diesem Tage frage ich mich stets: „Was hast du in diesem Jahr erreicht, was hast du genossen? Denn ab morgen werden die Tage wieder kürzer, der Frühling ist vorbei.“

Und in jedem Jahr – und mit zunehmendem Alter wird das schlimmer! – lautet die Antwort: „Wenig bis nichts, denn die Zeit zerrinnt bloß zwischen meinen Fingern. Nur älter bin ich geworden, das spüre ich.“

Und in diesem Moment möchte ich eigentlich weinen. Aber auch das funktioniert nicht, sei es aus anerzogener, „erwachsener“ Disziplin, sei es, weil ich nur melancholisch bin und doch unter keinen wahren seelischen Schmerzen leide.

Dieses Jahr war besonders, ich weiß. Eine Pandemie hat unser aller Aktionsradius begrenzt. In diesem Jahr hat es keinen Frühling gegeben, viele Orte, die man gerne besuchen möchte, Lokale, Theater, Parks und Museen waren bis vor kurzem geschlossen. Die Freiheit zu Reisen war eingeschränkt.

Vielleicht ist die erste und einzige Regel, die einen Schlüssel zum Glück bietet, doch jene, nach der es keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern nur genau diesen Augenblick, hier und jetzt, gibt. Es gibt nichts, nach dem man sich als verloren sehnen kann, und nichts, was es zu verändern gilt, oder was zu erreichen sich lohnt. Das alles ist einerseits ein Schatten, von dem wir nicht einmal wissen, ob er existiert hat, andererseits etwas, das sich nie genau so, wie erträumt, manifestieren wird. Man kann den Augenblick nur genießen oder unter ihm leiden, aber jeder Vergleich ist verboten und müßig, denn es existiert nichts, das als Maßstab dienen könnte.

Auch nicht so ganz praktikabel, diese Regel, weil sie auch die Hoffnung als Glücksfaktor ausschaltet und vertilgt.

Ich sitze also hier in einem melancholischen, völlig verregneten Wien, und schaue in den unsichtbaren Sonnenuntergang vor der Mittsommernacht dieses seltsamen Jahres 2020.

Published in: on 20. Juni 2020 at 18:18  Kommentare deaktiviert für Sommersonnenwende  
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Im Licht der leichten Frühlingsdepression


Draußen grünt und blüht es sehr.

Keine Angst, ich bin keine (ausgeprägte) Pollenallergikerin, diese G’schicht kommt jetzt nicht! 😉

Aber weil der Frühling seinen Werk vollendet, seinen Kampf mit dem Winter gewonnen hat, zupft mich neben der Freude doch auch ein klein wenig die Melancholie.

Ja, ich weiß, man wird sagen: „Wäh, der kann man aber auch gar nichts recht machen….!“

Ich empfinde Licht aber nicht nur als aufbauend, als gut für den Stoffwechsel und die Nerven (weswegen man bei manchen endogenen Depressionen Lichttherapie verordnet). Helles Licht schärft auch die Kontraste, trennt klar in dunkel und hell, legt schonungslos optische Schwächen offen. Eine stark geschminkte Tivi „fürchtet“ nichts so sehr wie knalliges Sonnen- oder Scheinwerferlicht, sie „liebt“ folgerichtig weiches, diffuses Licht. Nicht umsonst wurde die Sonnenbrille erfunden, um den Glanz und die Helligkeit zu dämpfen, die beide manchmal auch nur aufdringlich sind.

Hellem Licht muss man sich stellen und manchmal darin erkennen: „Du bist nicht schön!“ oder „Du wirst alt!“ Und das bereitet keine Freude.

Published in: on 12. April 2011 at 09:54  Kommentare deaktiviert für Im Licht der leichten Frühlingsdepression  
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