Warum Feministinnen Transvestiten hassen


Am Samstagnachmittag hatten Tanja und Vierstern einen kleinen Disput.

Wir waren mit der U-Bahn unterwegs zurück von einem Besuch im Schönbrunner Tiergarten in Richtung Stadt. Ich in einem luftigen, kurzärmeligen Kleid, den schwarzen Strohhut auf der (fast) platinblonden Mähne und neue Sandalen an den Füßen.

Tanja in Schönbrunn

Tanja mit Strohhut, 7. Mai 2011

Vierstern vor allem eines: im Stress. Unruhig und quirlig, so als ob das Zusammensein mit mir ein Hindernisparcours wäre, den es alle ein bis zwei Wochen in Rekordzeit zu bewältigen gelte: hoppauf, hoppauf, gemma, gemma! Und dann hätten wir „das“ auch wieder einmal hinter uns!

Gewitterwolken am Beziehungshorizont. Ich fühle mich als Frau fröhlich und innerlich rund, ich möchte in dieser Stimmung für niemanden Stressfaktor sein. Da bin ich lieber noch alleine.

Im Gespräch höre ich zum wiederholten Male, was sie unter anderem beunruhigt: Ihre sexuelle Identität (als Hetera) wäre bedroht. Ihr Bild in den Augen der Welt wäre verschoben.

Dann die Frage, die uns zum Titel dieses Eintrags bringt: „Wie wäre das, wenn dir ein Mann auf den Hintern greifen würde?“

Wahrheitsgemäß antworte ich, dass es mir nicht wirklich unangenehm wäre, es aber schon auf das Mannsbild ankäme, an dem die Hand hängt. Wahrscheinlich würde ich es bei einem scheinbar empörten, spielerischen Protest belassen, solange der Mann nicht mehr probiert und nicht wirklich zudringlich wird.

Viersterns sinngemäße Reaktion ist eindeutig und streng: „Aber das ist ja entwürdigend!“

Ja, dafür hassen viele Feministinnen uns Transvestiten! Weil wir weibliche Klischees übernehmen, weil viele von uns absolut nichts dagegen haben, als Objekt sexuellen Begehrens (aber nicht „der sexuellen Begierde“!) gesehen zu werden, weil wir lieber Paris Hilton (Geld, Sexappeal) als Alice Schwarzer (Stärke, intellektuelle Brillanz) sein möchten (beide nicht unmittelbare Vorbilder für mich aber ihrerseits Klischee-Archetypen). Sie fühlen sich, als würden sie aus den eigenen Reihen angegriffen, von einem verkleideten, getarnten Mann – ja, eine Feministin würde Tanja wohl sicher die Akkreditierung als Frau verweigern! -, der die klischeehaften „Waffen einer Frau“ (Aussehen, Verführung, Sex) gegen sie richtet.

Ich kann es ja irgendwie verstehen.

Und damit niemand meine Antwort falsch versteht, schreibe ich an dieser Stelle klipp und klar: Kein Mann hat das Recht, einer Frau ungefragt auf den Po zu grapschen! Kapiert, ihr Machos in nah und fern?

Es ist auch eine simple Frage der bildhaften Wirkung. Mike im Kleid mit deutlich sichtbarem Make-up und auf High Heels, das ist eindeutig Tanja, also jemand, der als Frau wahrgenommen werden möchte. Darauf können Mitmenschen reagieren, mit Akzeptanz oder Ablehnung. Mike in Jeans mit Turnschuhen oder flachen Schuhen und dezentem Make-up, das ist bestenfalls ein androgynes Wesen, ein unentschiedenes Geschöpf, trotz Damenunterwäsche und Silikoneinlagen im BH.  Darauf wissen viele Mitmenschen einfach keine Antwort, bleiben stumm oder schauen weg. Eine Bio-Frau ist sich ihrer Rolle und ihres Körpers sicher und kann daher leichten Herzens auf das eine oder andere Attribut beider verzichten oder es nicht betonen. Ein Transvestit kann das nicht – oder er tut sich jedenfalls viel schwerer dabei!

Ich bitte einfach um Verständnis, liebe Freundinnen, die ihr für Frauenrechte gekämpft habt und kämpft! Ich ziehe meinen schwarzen Strohhut. Ich danke euch!

Aber je schöner das Wetter wird, desto weniger verstehe ich auch Frauen, die in der warmen Luft unbedingt Hosen tragen möchten. So ein luftiges Sommerkleidchen ist doch unvergleichlich kühler und bequemer!

Bin ich peinlich?


Gestern abend war ich mit meiner Freundin (im alten Blog hat ihr einst eine Freundin den Spitznamen „Vierstern“ verpasst, bei dem bleibe ich auch) in einem Konzert. Wir hatten schon am Vortag einen kleinen Streit um die Frage, ob ich als Mann oder als Frau hingehen soll. Wir haben beschlossen, die Sache zu überschlafen. Am gestrigen Vormittag hat sie dann telefonisch ihr o.k. gegeben.

Gut, der kleine Fehler, den ich gemacht habe, war, dass ich mal wieder die supersexy Überdrüberfrau sein wollte. So sind wir Tivis eben manchmal. Wir outrieren ganz gerne. Wir möchten immer wieder auffallen, ein bisserl provozieren, auch um den Preis, hie und da ein spöttisches Lächeln zu ernten. Weiß Gott nicht immer, aber eben doch.

Dieses Bild gibt einen ungefähren Eindruck von meinem gestrigen Outfit (selber Rock aber ohne rote Netzstrümpfe, statt der Bluse ein enges blau-weißes Top ohne BH):

Tanja im Nachtbus N71, August 2010 (c) XXL

Als ich so in ihrer Wohnung eintreffe, bereut sie ihr Einverständnis, mit Tanja auszugehen, sichtbar auf der Stelle. Es folgt eine ziemlich unschöne Zankerei, mir wird vorgeworfen, ich sähe wie eine Dame vom Strich aus, jeder würde sie – wohlgemerkt: sie, nicht mich! – auslachen oder schneiden. Mein Aussehen sei überhaupt skandalös und unanständig. Man würde mir unter den Rock schauen können – na toll, erstens hat’s nicht ganz gestimmt, und die Aussicht, dass jemand mein Höschen oder gar die Intimzone zu sehen kriegen könnte, erschüttert eine/n geeichte/n Sauna- und FKK-Strandbesucher/in natürlich bis aufs Mark! Dann ihre sinngemäße Schlussfolgerung: „Ohne mich!“ Erst nach langer Diskussion kann ich sie dann doch zum Mitkommen überreden.

Und natürlich war gar nix. Die Musik war gut, die Stimmung auch. Die Freunde und Bekannten, die wir getroffen haben (die Mehrheit eh schon in das Mike-Tanja-Doppelspiel eingeweiht), haben uns nicht geschnitten, keiner hat mich verspottet, manche haben vielleicht gelächelt, ein paar Menschen des Typs „geile alte Männer“ haben mir, according to Vierstern, „lüstern“ nachgeschaut (sie sieht komischerweise anscheinend mehr von diesen Typen als ich! ;-)). Das ganz normale Bouquet von Reaktionen, mit denen sich ein Crossdresser so üblicherweise konfrontiert sieht, ganz gleich ob in der Oper, beim Einkaufen oder bei einem Boogie-Woogie-Konzert  weit draußen in der Vorstadt.

Bleibt die Frage in der Überschrift. Nein, nie und nimmer! In meiner doch schon mehrjährigen „Karriere“ als Out-of-the-closet-Tivi hat es sicher schon Momente gegeben, in denen ich mich für schlechtes Make-up, ungeschickt kombinierte Kleidungsstücke oder ungeschickt-stolperndes Gehen in neuen hochhackigen Schuhen geniert habe. Aber „peinlich“ sein, das heißt doch, anderen durch Benehmen oder Aussehen Schmerzen und Schande zu bereiten. Für Vierstern hat das, was die Schmerzen angeht, gestern vielleicht sogar gestimmt. Aber das ist sehr individuell und subjektiv. Und ich werde mich nicht für das entschuldigen, was ich bin. Ich akzeptiere, dass mich vielleicht nicht jede/r mag. Das ist bedauerlich aber nicht zu ändern.

Wir werden wohl Lehren aus dem gestrigen Abend ziehen. Meine sollte wohl sein, dass ich mehr daran denke, wie meine Kleidung auf Menschen wirkt, die ich liebe und die mir sehr nahe stehen. Ihre sollte sein, dass sie eben die Freundin eines Transvestiten ist und dazu stehen muss.

Published in: on 2. April 2011 at 13:41  Comments (2)  
Tags: , , , ,