Eine Hammerl haut daneben


Elfriede Hammerl ist eine feministische Legende unter Österreichs Journalistinnen. Sie schreibt regelmäßig für das Wochenmagazin Profil. Ihr Wort hat Gewicht.

Gestern ist in der Online-Ausgabe des Profil folgender Beitrag erschienen: „Elfriede Hammerl: Wer eine Frau ist – Konkurrenz auf High Heels um das Wohlwollen der Patriarchen.“ Dazu muss ich einfach eine kritische Erwiderung schreiben.

Eines hat die Autorin wohl richtig erkannt: den Rechten, dem sogenannten „Patriarchat“, den Gegnern der Gleichberechtigung überhaupt, ist es völlig egal, wer eine Frau ist, oder ob eine Transfrau als solche rechtlich anerkannt wird oder nur ein geistesgestörter Mann ist. Für die zählt vor allem, dass Frauen in der Gesellschaft unten sind.

Aber, wie viele traditionelle und neuerdings zur Gruppe der Gender Critcals zählbaren Femininstinnen, begibt sich Elfriede Hammerl auf den gefährlichen Pfad, das gesellschaftliche Frausein an der Biologie, an den Fortplanzungsorganen & Genitalien festzumachen. Unterm Strich steht da, dass Transfrauen eben doch nicht ganz oder eben keine richtigen Frauen sind. Sondern Männer, die nur so tun und halt von der Rechtsordnung – bedauerlicherweise? – als Frauen anerkannt werden.

Pauschal wirft sie den „Aktivistinnen der Trans-Frauen“ Geringschätzung für Cisfrauen vor, wobei sie das Doppeldenk-Kunststück schafft, den Kritisierten den biologisch differenzierenden Begriff „Cis-Frau“ als abwertend vorzuhalten, während sie ihnen ein paar Sätze weiter vorwirft, Frauen überhaupt in einem „bunten Angebot(s) an verschiedenen Geschlechtern“ zum Verschwinden bringen zu wollen. Unterschiede anerkennen ist also auch falsch? Das Ganze kulminiert in folgendem Befund:

„Es sieht aus, als wäre ein Konkurrenzkampf im Gange, nicht zur Abschaffung des Patriarchats, sondern um die Anerkennung der Patriarchen. Die Trans-Aktivistinnen kämpfen ihn mit den bewährten Methoden der Geschlechterungleichheit und präsentieren sich mit allen Attributen eines Rollenbilds, um dessen Überwindung sich die Frauenbewegung jahrzehntelang bemüht hat, sie präsentieren sich als Sexobjekte.“

Um im nächsten Satz das Uralt-Klischeebild der Drag-Queen mit „Sehnsucht nach High Heels und 15 Zentimeter langen Fingernägeln“ zu bemühen. Unterm Strich: Transfrauen sind Verbündete des Patriarchats und haben daher weniger Soldarität, dafür aber mehr verbale Hiebe mit dem Rohrstaberl auf die „15 Zentimeter langen Fingernägeln“ verdient. Denn, so Elfriede Hammerls Antwort auf die Frage, „wer aller verdient am Hype um die Geschlechtervielfalt. The Winner is …? Richtig, die Pharmaindustrie. Die plastische Chirurgie.“

Klar, Trans-Frauen sind also, überspitzt gesagt, verwirrte Männer, die vom Patriarchat, das bekanntlich ja diese Wirtschaftszweige beherrscht, dazu verführt werden, sich als Frauen zu gerieren, sich mit Hormonen vollzupumpen und sich Riesenbrüste aus Silikon machen zu lassen, damit das Gerschtl stimmt, um danach die Reinheit des weiblichen Geschlechts zu verschmutzen und die feministische Bewegung zu unterwandern. Dass eine seriöse Kolumnistin so etwas hintippt, das zusammengefasst fast wie die Beschreibung einer Verschwörungstheorie klingt, ist bemerkenswert.

Wie in so vielen Streitigkeiten unserer Tage geht es hier nicht darum, Gemeinsamkeiten zu finden und gemeinsam besser, stärker oder klüger zu werden. Oder Trennendes zu definieren und einander über diese Grenzen hinweg doch mit Respekt zu begegnen. Ja, es geht in diesem Kommentar um einen Konkurrenzkampf. Nämlich jenen um die Hoheit zu definieren, wer das echtere, moralisch hochwertigere Opfer einer finsteren Macht – hier des „Patriarchats“ – ist und daher den besseren Platz an der Opfer-Futterkrippe verdient hat. Eine im Grunde absurde Streitigkeit, die mir aber irgendwie erhellt, warum Dikatoren und Autokraten vom Schlage eines Putin oder Orban unsere liberale Gesellschaft für dekadent halten können.

Biologie ist übrigens ein Lieblingsfach der Rechten und des „Patriarchats“. Mangels eines passenden akademischen Abschlusses beteilige ich mich jetzt sicher nicht an der Diskussion, ob es biologisch beim Menschen zwei, drei oder zwanzig Geschlechter gibt. Als Juristin sage ich der Frau Hammerl aber, dass es für die Rechtsordnung derzeit in Österreich (und den meisten Mitgliedstaaten der EU) drei (Mann, Frau und Intersexuelle/r) gibt, und dass die Grenzen zwischen Mann und Frau überschritten werden können, weil rechtlich hier nicht Gene und Genitalien sondern die soziale (Selbst-) Einordnung entscheidet. Und als historisch denkender Mensch erinnere ich Frau Hammerl daran, dass der entscheidende Erfolg des Feminismus darin bestanden hat, den biologisch begründeten und durch Jahrhunderte kaum hinterfragten Standpunkt, wonach der Mann von Natur aus Soldat und Schaffender, die Frau aber Mutter und Dienerin sei, auf den Misthaufen der Geschichte zu befördern.

Wer in der Transgender-Frage die Biologie zur unabänderlichen gesellschaftlichen Richtschnur macht, stärkt nur jene, die das gerne rückgängig machen würden.

Published in: on 7. August 2022 at 23:00  Kommentare deaktiviert für Eine Hammerl haut daneben  
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„Mannfrau“ in der Frauenmannschaft?


Und wieder einmal Ärger mit Trans! Diesmal bedrohen Transfrauen nicht nur konservative Grundwerte wie Familie, Ehe und Heterosexualität, sondern ein neuentdecktes Heiligtum des Feminismus: den Frauensport. Anlass ist eine Transfau aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Lia Thomas, die als Schwimmerin bei den dortigen College-Meisterschaften mehrere Bewerbe gewonnen hat. Seither wird darüber diskutiert, ob sie das darf, oder ob die Regeln (wieder) vorsehen sollten, dass Wettbewerbe für Frauen nur für – ja, wie jetzt? – „echte“, genetische oder einfach nur Cisfrauen offen sein sollten.

Im wirklichen Leben läuft die Diskussion noch viel, viel härter ab, wohl eher nach dem Muster der – bewusst nicht „korrekten“ – Überschrift über diesem Blogbeitrag. Lia Thomas und ihre Zulassung als Sportlerin durch den Universitäts-Sportverband NCAA wurden schnell zum Politikum, und konservative Menschen nutzen ihre Geschichte, um nach dem Motto „Wohin wird das noch führen?“ Stimmung gegen LGBTIQ+ zu machen.

Während diese Reaktion vorhersehbar war und völlig unberechtigt ist, sind die Stimmen gegen sie aus dem feministischen Lager anderer Natur und differenzierter zu betrachten.

Vielen Menschen ist einfach noch nicht bewusst, dass sich „Geschlecht“ im letzten Jahrzehnt von einem biologisch-genetischen zu einem rechtlich-sozialen Begriff gewandelt hat. Wenn wir heute von Geschlecht reden, dann meinen wir den englischen Begriff „Gender“. Das ist, in Österreich wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, eine Tatsache, ausdiskutiert und von Gesetzgebern wie Höchstgerichten mehrfach besiegelt. Seine Gene kann man nicht ändern, ein bei der Geburt fälschlich zugeschriebenes Geschlecht jedoch schon.

Unser rechtlicher Status als Mensch hängt, trotz grundsätzlicher Gleichberechtigung von Mann und Frau, in vielfacher Weise vom Geschlecht ab. Unter anderem im Sport. Im Sport hat ein Mensch, der sich in seinen ersten zwanzig Lebensjahren wegen seiner Gene und seines Hormonsystems „männlich“ entwickelt hat, natürlich einige Wettbewerbsvorteile. Er kann statistisch auf eine höhere Durchschnittsgröße, stärkere Knochen und eine kräftigere Muskulatur bauen. Vorteile, die eine Transfrau im Verlauf einer gegengeschlechtlichen HRT allerdings zumindest teilweise wieder verlieren wird.

Aber ähnliche Vorteile haben, wenn man beispielsweise die Ergebnisse von Marathonläufen anschaut, offenkundig in athletischen Sportarten auch Menschen dunkler Hautfarbe mit afrikanischen Genen. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, Äthiopier/innen oder Kenyaner/innen bei solchen Rennen wegen „unfairer genetischer Vorteile“ vom Start auszuschließen. Weil man das zurecht als Ausdruck von Rassismus verurteilen würde. Genetische Weiße müssen es also hinnehmen, regelmäßig von Afrikanerinnen und Afrikanern oder doch Menschen afrikanischer Abstammung in athletischen Wettbewerben geschlagen zu werden, aber Cisfrauen brauchen sich nicht der Konkurrenz einer Transfrau zu stellen?

Natürlich könnte man an dieser Stelle unseres Gedankenexperiments dazu fortschreiten, ein Konzept der „genetischen Chancengleichheit“ zu entwickeln und Sportlerinnen und Sporter nicht mehr nach dem Geschlecht sondern nach ihren genetischen Anlagen (für Körperbau und Kraft) in Leistungsgruppen einzuteilen. Aber davon halte ich nichts.

Hinter der ganzen Diskussion steckt auf Frauenseite die Vorstellung, dass eine Transfrau eben doch ein „verkleideter Mann“ ist, der sich in die Frauenliga „schleichen“ möchte, um dort mit Hilfe seiner männlichen Gene Erfolge einzustreifen, für die es in der Männerliga nicht gereicht hätte. Manche erwarten oder fürchten gar ein Massenphänomen.

Diese Ängste und Sorgen halte ich für stark übertrieben. Angesichts der Zahl der aktiven Spitzensportler/innen im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, gebrochen durch die Zahl der Transmenschen, schätze ich, dass eine Spitzenathletin derzeit Pi x Daumen zweieinhalb Karrieren durchlaufen müsste, bis sie einmal in einem Wettkampffinale auf eine Transfrau trifft – und vielleicht von ihr geschlagen wird. Ich bezweifle auch, dass es zu dieser Frage schon aussagekräftige statistische Daten gibt.

Aber es gibt natürlich einige transphobe Gruppen, die solche Ängste schüren. Man warnt davor, dass jede Erleichterung eines Wechsels der rechtlichen Kategorie des Geschlechts und jede Aufweichung des binären Geschlechtsmodells die Sportwelt ins Chaos stürzen werde. „Mannfrauen“ würden sich, nach ein paar kleinen bürokratischen Formalitäten, in Frauenmannschaften und Frauenligen drängen. „Fraumänner“, also Transmänner, würden, aus medizinischen Gründen befreit von Dopingbeschränkungen, mit Testosteron vollgepumpt gegen echte Männer antreten.

Ich halte die Vorstellung, dass sich irgendjemand bloß wegen der vagen Aussicht auf sportliche Erfolge auf den meist komplizierten und regelmäßig sozial stigmatisierenden Weg einer Gender-Transition begeben könnte, für ziemlich absurd und entsprechende Sorgen daher für unbegründet. Mit dem Phänomen, dass im Sport Gender-Grenzen in Zukunft kreuz und quer passierbar sind, werden wir allerdings alle leben müssen. Man wird Lösungen für die dabei auftretenden praktischen Probleme finden.

Ich wünsche Lia Thomas jedenfalls viel Erfolg in der Frauenfrauschaft!

Published in: on 15. Mai 2022 at 20:54  Kommentare deaktiviert für „Mannfrau“ in der Frauenmannschaft?  
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Freiwillige vor?


The Transgender Pride flag (designed by Monica Helms, Quelle: Wikimedia Commons)

The Transgender Pride flag (designed by Monica Helms, Quelle: Wikimedia Commons)

Eine der Fragen, um die sich die ganze Transgenderwelt dreht, ist die Frage der Freiwilligkeit. Kann man freiwillig Transgender, zumindest vielleicht Transvestit, werden, oder ist es eine Art von Schicksal, eine Frage der Gehirnentwicklung unter Einfluss pränataler Hormonströme oder bestimmter ererbter synaptischer Verbindungen? Alles sehr kompliziert, und immer zum selben Ergebnis führend: die/der Einzelne kann nichts dafür!

Oder kann man sich in diese Richtung entwickeln? Ist es ein suchtmäßiges Verhalten? – ich erinnere da an die sicher vielen Transmenschen bekannten Versuche, die eigene, z.B. weibliche Identität abzustreifen, die mit schöner Regelmäßigkeit in „Rückfällen“ enden. Kann man durch Erziehung zum Transgender gemacht werden? Vor letzterem warnen Vertreterinnen und Vertreter einer konservativen Pädagogik mit gewisser Regelmäßigkeit („Lasst Buben bloß keine Röcke tragen!“). Oder kann man sich fürs Transgendersein als Lebensstil entscheiden? Einfach so, wie man sich für modebewusstes Dandytum oder das spirituelle Leben einer Klosterschwester entscheiden kann? Und wie ist das dann, ist nur der Einstieg freiwillig, kann man auch jederzeit wieder aussteigen, oder gibt es einen Punkt, ab dem es kein Zurück mehr gibt (–> „Sucht“)?

Fragen über Fragen! Einige davon haben in der Transgender-Welt das Zeug zu Streitfällen. Und treiben immer wieder einen Keil zwischen Transsexuelle und den Rest, da es für Transsexuelle vielfach vorteilhafter scheint, vom Schicksal einschlägig geschlagen worden zu sein. Hat man einmal die sichere Diagnose F-64.0, ist der weitere Weg klar. Wozu also über die Ursachen nachdenken? Schon die Frage nach möglicher Freiwilligkeit wird da fast zum Tabubruch, zur Zumutung, weil sie Verantwortung impliziert.  Oder zugespitzt gesagt: „Tivis machen ‚das‘ vielleicht freiwillig, wir aber….“

Machen sie aber nicht, die Tivis. Sie haben bloß viel mehr Möglichkeiten, ihre – schwächer ausgeprägte – abweichende Geschlechtsidentität zu verbergen und zu kompensieren.

Die Vertreterinnen und Vertreter von Transgendersein als Schicksal haben, soviel scheint mir klar, die neusten Forschungen der medizinischen und biologischen Wissenschaften auf ihrer Seite:

„Obwohl beispielsweise Harry Benjamin annahm, dass es sich bei Transsexualismus um eine Sonderform der Intersexualität handelt, entwickelte sich in den 1970ern die Theorie, es gebe grundsätzlich psychische Ursachen für Transsexualismus; allerdings konnte bisher kein Modell entwickelt werden, welches unumstritten auf einen Großteil der Betroffenen zutrifft.

Mittlerweile stützen einige Untersuchungen, die auf körperliche Ursachen bzw. Prädispositionen hindeuten, die ursprüngliche Vermutung Benjamins. Diese wird mittlerweile durch von Zhou und Kollegen publizierte Daten gestützt.[8][9][10] Sie fanden Hinweise darauf, dass in der pränatalen Entwicklungsphase dieselben Sexualhormone zu unterschiedlichen Zeitabschnitten zum einen die Morphologie der Genitalien und zum anderen die Morphologie sowie die Funktion des Gehirns beeinflussen.

Einer anderen Studie zufolge könnte ein hormonelles Ungleichgewicht während der Embryonalentwicklung dazu beitragen, dass ein Mensch transsexuell geboren wird.[11]

Ein weiteres Indiz dafür, dass Transsexualität höchstwahrscheinlich angeboren ist, ist die frühe Selbsterkenntnis transsexueller Kinder und Jugendlicher. Nach[12] können Kinder durchschnittlich in einem Alter von 8,5 Jahren ihre Geschlechtsidentität zuordnen. In der Studie mit über 100 transsexuellen Kindern und Jugendlichen lag die Bandbreite der Selbsterkenntnis in einem Alter zwischen 4 und 13 Jahren.“

(Quelle: Wikipedia (deutsch), Artikel „Transsexualität“, Abschnitt „Ursachen“, Stand: 28.11.2017)

Möglicherweise, ja sogar wahrscheinlich, gibt es noch weitere Forschungsergebnisse, die in diese Richtung deuten.

Also doch angeboren, keine Freiwilligkeit, keine „Ansteckung“ durch Erziehung oder soziales Verhalten möglich, keine Suchtgefahr.

Beruhigend – aber auch wieder nicht! Mich prägt eine tiefsitzende Skepsis gegenüber Erklärungen, die dem Menschen jede Entscheidung über eigenes Verhalten absprechen. Denn sie erklären, konsequent betrachtet, Freiheit zur Illusion, nehmen uns die Verantwortung und lassen umgekehrt der Gesellschaft keine Wahl, als einen Menschen im Extremfall (wenn eine Gefahr von ihm ausgeht, also meine ich hier ausdrücklich keine Transgender!) ohne Chance auf Bewährung wegzusperren. Solch eine Erklärung irgendeines Verhaltens muss daher die letzte Möglichkeit, die ultima ratio sein, die nur um Fall der Unwiderlegbarkeit zu akzeptieren ist.

Und natürlich gibt es Fragen, die offen bleiben. Wie ist das mit Menschen, die den Wunsch empfinden, sich keiner der binären Geschlechtsrollen „Mann“ oder „Frau“ eindeutig zuzuordnen? Gehören die dazu zum „Stamm der Transgender“? Oder sind sie, weil selbst eine Entscheidung treffend (ist das so?), „draußen“ oder nur „Transgender zweiter Klasse“? Und wie ist das mit den Gender-Switchern, die aus sexuellen Motiven handeln, also denen, die man z.B. fetischistische Transvestiten (Diagnose F-65.1) nennt? Meiner bescheidenen Meinung nach ist eine absolut saubere Trennung da gar nicht möglich. Schließlich hat jede/r Transgender gelernt, dass „die Fetischisten“ dubios sind, und was man sagen muss, damit man bei diversen Tests oder therapeutischen Explorationen bei denen nicht anstreift.

Ich bin mir selber nicht sicher, ob ich eine unwiderlegbare wissenschaftliche Erklärung fürchte oder herbeisehne.

Published in: on 28. November 2017 at 17:04  Kommentare deaktiviert für Freiwillige vor?  
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Alex und die Busen-Neider


Alex, der schneit da einfach herein und bringt die schöne, heile Transgender-Welt durcheinander! Reißt dutzende von Transfrauen aus ihrer gemächlichen Ruhe, und lässt es in zwei bis drei Wassergläsern mit Orkanstärke stürmen!

Ich schreibe über den Menschen, der diesen Gastkommentar in einem Blog verfasst hat: Der Mannfrau: Leben ohne Gender-Stereotypen. Einen faszinierenden, mir im Grunde sympathischen Menschen mit kreativ-künstlerischem Hintergrund, der als Non-Binary lebt, das heißt, sich körperlich und dem Lebensstil nach weder fest dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen möchte. Allein das war für mich ein Anlass, mein eigenes TG-Glossar hier im Blog wieder einmal zu bearbeiten.

Vor diesem Artikel war er kurze Zeit recht aktiv im TransGender.at-Forum, das ich co-moderiere, bis er sich schmollend – und publizistische „Gegenschläge“ andeutend – wieder zurückgezogen hat (Abschiedsposting vom 20. September 2017). Aus meiner Sicht war die Ursache für seinen Ärger nicht so sehr die Kritik, die ihm von einigen Userinnen zuteil wurde, als vielmehr seine naive Erwartungshaltung beim Eintritt. Aber wenn jemand mit dem Anspruch, ein Profi zu sein und mit Profis (Fotograf/inn/en, Visagist/inn/en) zu arbeiten, auftritt und eine Fotoserie präsentiert, dann muss er auch entsprechende Kritik (also z.B. an Kleidung, Posen und Make-up auf Fotos) aushalten. Wenn jemand mit dem Anspruch, völlig anders als der Rest der betreffenden Peer-Group zu sein, in ein Internet-Forum kommt, sollte er es auch aushalten, wenn man seine ganz persönliche Rolle hinterfragt oder bezweifelt. Vor allem, wenn er der Gruppe den Eindruck vermittelt hat, es besser als alle anderen zu machen.

Alex hat bei mir den Eindruck hinterlassen, für seinen Lebensstil und seine Arbeit eine Welle uneingeschränkten Applauses erwartet zu haben. Die gab es aber nicht. Und das hat Alex gekränkt. Und so kam eines zum anderen.

Womit Alex jedoch Unmut und Protest hervorruft, sind Passagen wie die folgende:

Mit meinen schulterlangen Haaren und androgynem Look wurde ich schon oft als Frau angesprochen. Ich sah das nie als Beleidigung, sondern als Kompliment, da selbst bekennende Transgender ein derartiges „Passing“ nur selten schaffen. Immer, wenn ich selbst eine Trans-Frau auf der Straße sah, war ich entsetzt, wie sehr diese aus großer Entfernung auffiel und welche negativen Reaktionen sie bei den Menschen verursachte. War es das schlechte MakeUp, die überzogene Körpersprache, das übertrieben weibliche Outfit, oder doch einfach die männlichen Gesichtszüge, die massiven Schultern und die fehlende Hüfte, die sie verriet? Ob ich in der Masse von Menschen als Frau durchgehen könnte? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, als Mann weibliche Kleidung zu tragen, ohne aufzufallen bzw. lächerlich zu wirken?

Ich versuche die Botschaft, die Alex damit an andere Transgender, insbesondere an Transsexuelle sendet, einmal einfach zugespitzt in andere Worte zu übersetzen:

Ich bin toll. Auch ohne aufwändige Behandlungen habe ich als Non-Binary ein Passing als Frau, das Transgender selten schaffen. Die wirken meistens lächerlich und fallen auf. Und die haben einfach nicht den Stil, den ich als Profi habe! Wenn die einfach mir als Non-Binary nacheifern würden, ginge es ihnen besser.

So kommt das vermutlich ungefähr rüber.

Ich kann verstehen, wenn eine transsexuelle Frau bei solchen Aussagen vor Wut aufheult und ablehnend reagiert. Für sie sind ihr Leben und ihre Transition nämlich keine Fragen eines wählbaren Lebensstils sondern schlichte Notwendigkeiten. Ein schlechtes Passing, das das Geburtsgeschlecht erkennen oder auch nur erahnen lässt, kann für sie seelische Schmerzen bedeuten.

Und dann kommt die Passage, mit der Alex mehr oder weniger die Brücken zwischen sich und großen Teilen der TG-Gemeinschaft abbricht (Unterstreichungen von mir):

„Meiner Meinung basiert Transsexualität oft auf Männer mit Busen- und Feminismus-Neid, die mit ihrer gesellschaftlichen Rolle und dem beruflichen, privaten sowie sexuellen Druck nicht zurechtkommen bzw. überfordert sind und sich Besserung bzw. Absolution dadurch erhoffen, den Penis operativ zur Fake-Vagina operieren zu lassen und nach einem veralteten Frauenbild zu leben. Und dann komm ich daher und lebe ihnen vor, dass man sich nicht für ein Geschlecht entscheiden muss, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden und die Vorteile von Mann und Frau vereinen kann, was ihren gesamten Lebensweg anzweifelt.“

Das ist aus meiner Sicht eine Aussage an der Kippe zum Lächerlichen. Damit wildert er noch dazu auf einem Gebiet, das zu beurteilen er weder durch eigenes Erleben, noch durch eine fachliche Ausbildung qualifiziert ist. Ich glaube nicht, dass Alex die Gefühle einer Transfrau wirklich nachvollziehen kann. Auch ich kann sie nur mit dem Verstand zu erfassen versuchen. Und es klingt da ein wenig von einem messianischen Heilsversprechen durch: Folgt meinem Beispiel, ihr Transgender, tut was ich tue, lebt, was ich vorlebe, und alles wird gut, ganz ohne Psychotherapie, Hormone und Skalpell! Dazu kann man eigentlich nur lächeln und den Kopf schütteln.

Was auch immer Alex an Richtigem schreibt, was er gut beobachtet und durchschaut hat, was er Richtiges tut, um Gender-Stereotypen sozial und künstlerisch aufzubrechen, durch solche kurzsichtigen Aussagen macht er es zunichte und sich selbst in mancher Hinsicht zum feindseligen Außenseiter.

Es ist eigentlich jammerschade!

Und noch mehr Begriffe


Bin ich jetzt pansexuell? Reicht mir bisexuell nicht mehr? Wäre multisexuell eine Möglichkeit? Muss ich mir (und anderen) gestehen, jetzt genderfluid oder genderqueer zu sein? Oder bin ich a-, poly- oder gar multigender? Oder bin ich einfach nur eine neunmalkluge kleine Hirnwichserin mitten im Sprachlabyrinth?

Jedesmal, wenn irgendein queeres Menschlein nicht mehr bequem in seinem Gender-Bettchen schlummert, wälzt es sich herum und erfindet ein neues Wort. Das scheint einfach der Lauf der Welt zu sein.

Manchmal muss es gar kein neues Wort sein. Man kann auch Wörter okkupieren und ihnen eine neue Bedeutung aufprägen. So wie das derzeit mit dem Wort „transident“ versucht wird (es soll den Begriff „transsexuell“ ersetzen, also in seiner Bedeutung deutlich verengt werden).

Fürs Protokoll: Ich bin wahrscheinlich nicht pan- sondern höchstens multisexuell, weil ich nicht jede Erscheinungsform von Geschlecht und Geschlechtsrolle gleich anziehend finde. Und ich bin wohl auch nicht genderfluid, weil ich regelmäßig versuche, eine von zwei möglichen Geschlechtsrollen zu leben. Und wenn ich ab und zu doch ganz bewusst Grenzgänge versuche, rutsche ich meistens mehr auf die weibliche Seite. Und überdies genügt mir dann auch das schöne alte Wort „androgyn“.

Published in: on 23. August 2016 at 22:26  Kommentare deaktiviert für Und noch mehr Begriffe  
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Gut gemeint, furchtbar schlecht gemacht


Das kommt heraus, wenn ein österreichisches Bundesministerium eine Reihe von Expertinnen und Experten in ein Zimmer sperrt, ihnen den Auftrag erteilt, das Rad neu zu erfinden, und das Ergebnis anschließend von Angehörigen der hauseigenen Bürokratie politikgerecht durchspülen lässt: „Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus nach der Klassifikation in der derzeit gültigen DSM bzw. ICD“

Der Verein TransX hat dazu folgenden offenen Brief an die Bundesministerin für Gesundheit veröffentlicht:

„Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

WIR LASSEN UNS NICHT UNHEILBAR KRANK MACHEN!

Wir lehnen die vom Bundesministerium für Gesundheit im Juli veröffentlichten und nun schon zweimal revidierten „Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus nach der Klassifikation in der derzeit gültigen DSM bzw. ICD“ ab: Sie bezeugen kein Verständnis von Transsexualität, fordern Psy*s absurde Stellungnahmen ab und sind dank des Vorliegens internationaler Empfehlungen eine provinzielle Groteske.

Dilettantismus

An der Erstellung hat über 2 ½ Jahre lang ein Expertengremium gearbeitet. Die Endfassung wurde in dem Arbeitskreis nie diskutiert, sondern ministeriell erlassen. Sie strotzt von fachlicher Inkompetenz. Viele Experten wurden übergangen und vor den Kopf gestoßen.

Verständnis von Transsexualität

Für die Behandlung verweist das BMG auf eine Diagnose nach DSM 5 oder ICD 10, ohne festzulegen, welche der beiden teils widersprüchlichen Diagnosen anzuwenden ist. Dabei wird dem DSM 5 unterstellt, dass dessen Geschlechtsdysphorie eine Spannung zwischen dem Geburtsgeschlecht und dem empfundenen Geschlecht sei. Tatsächlich geht es aber um die Divergenz von zugewiesenen und empfundenen Geschlecht, welche ebenso wie der im ICD 10 definierte Transsexualismus durch einen Geschlechtswechel überwunden wird. Statt einer klaren Krankheitsdiagnose verlangt das BMG „die Prognose, dass die Geschlechtsdysphorie bzw. Transsexualismus aus heutiger Sicht (August 2014?) mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als dauerhaft eingestuft werden kann“.

Dies ist in mehrfacher Hinsicht absurd:

  1. kann eine Prognose nichts über das aktuelle Leiden aussagen,
  2. ist Transsexualität nicht unheilbar, sondern i.d.R. durch einen Geschlechtswechsel überwindbar,
  3. haben Psychiater, Psychologen und Therapeuten keine Methoden, um die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Geschlechtswechsel zu bewerten.

Offensichtlich soll mit dieser Formulierung die Behandlung verzögert und verhindert werden. Eine dauerhafte Transsexualität kann nur erwartet werden, wenn die Betroffenen nach dem Geschlechtswechsel sofort wieder im anderen Geschlecht anerkannt werden wollen oder – worauf die Empfehlungen wohl abzielen – wenn Transsexuellen der Geschlechtswechsel verunmöglicht wird.

Personenstandsrechtliche Aspekte

Die Empfehlungen enthalten auch einen Abschnitt zur Personenstandsänderung, in dem das BMG den Standesämtern anweist, wann diese eine Personenstandsänderung infolge eines Geschlechtswechsel gemäß § 41 PStG 2013 registrieren sollen. Diese Kompetenzüberschreitung des BMG wird durch das Zitieren der Gesetzesquelle als §16 PStG gekrönt.

Hier werden erstmals medizinische Diagnosen zur Anerkennung des Geschlechts verlangt. Dafür ist auch die Dauerhaftigkeit der Transsexualität (nicht der Geschlechtsidentität) zu prognostizieren.

Profund beurteilt kann Ihre Geschlechtsidentität nur durch Sie selbst werden. Wer ein Geschlecht wählt, wird es auch leben. Und das ist auch vom Staat anzuerkennen.

Anerkennung der internationalen Empfehlungen

Die österreichischen Empfehlungen behaupten, sich an den internationalen Standards of Care (SoC 7) der WPATH zu orientieren. Tatsächlich haben sie mit diesen von Experten regelmäßig überarbeiteten Empfehlungen kaum etwas zu tun: zu wesentlichen Aspekten der Behandlung, etwa zur Hormontherapie, zur Behandlung Jugendlicher oder von Personen, die ohne psychiatrische Untersuchungen über Jahre hinweg Hormone genommen haben, schweigt sich das BMG-Dokument aus und beschränkt sich auf die Zulassung zu Behandlungen.

Österreichs Transsexuelle brauchen keine Sonderbehandlung. Brauchen unsere Fachärzte und Krankenkassen wirklich eine? Warum will man sich gerade für Transgender in Österreich von der Globalisierung abkoppeln?

Wir bitten Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, diese Empfehlungen zurückzuziehen und die internationalen WPATH-Standards auch in Österreich anzuerkennen.

Mit freundlichen Grüßen

Eva Fels – TransX – Verein für TransGender-Personen

Wien, 11.10.2014″

Man kann auch mit einer Online-Petition gegen diesen Blödsinn protestieren: Wir lassen uns nicht unheilbar krank machen!
 

Weil es nicht um die Wurst geht!


Der Sieg der Conchita Wurst als Kandidatin Österreichs und des ORF beim Eurovision Song Contest (ESC) ist eine außerordentlich politische Sache. Natürlich singt sie ausgezeichnet, und das Lied dürfte beim Geschmack von Jury und Publikum kein Risiko eingegangen sein. Aber ein schwuler Sänger, der in der Bühnenrolle einer eleganten Frau mit Bart Karriere macht und damit nahezu alle möglichen Geschlechts- und Geschlechtsrollen-Grenzen durchkreuzt, das ist natürlich ein unbestreitbarer genuin-queerer Triumph. Und als solcher wurde er wohl auch erdacht und erwogen.

Dass Conchita in einem Interview den Satz „Ich weiß nicht, ob er zuguckt. Aber falls ja, sage ich ganz klar: Wir sind unaufhaltbar“ in Richtung des russischen Diktators – „Präsident“ erscheint mir inzwischen als ein etwas verharmlosender Begriff – Wladimir Putin abgeschossen hat, zeigt ganz klar, dass ihr Sieg beim ESC den Kontinent weniger in Friede, Freude und Musik vereinen als weiter spalten könnte. Spalten in eine Rechte, die die Gesellschaften „des Westens“ für „schwul“ und dekadent hält und im faschistoiden Weg Russlands den richtigen Weg sieht, und die Anhänger/innen einer freien und toleranten Gesellschaftsordnung. Aber das ist nicht Conchitas Schuld, sie hat diese Tatsache nur verdeutlicht.

Ich glaube nicht, dass Putin Conchita darauf antworten wird. Aber irgendeine Form von Antwort der Rechten werden wir sehen.

Warum es noch Männer und Frauen gibt


„Blödsinn!“, werden vielleicht viele sagen, „Was soll das? Männer und Frauen gibt es eben, Tatsache!“

Stimmt aber nicht. Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt betrachtet gibt es mindestens drei Geschlechter unter den Menschen. Schon die Genetik unterscheidet nach dem genetischen (Karyo-)Typ der Geschlechtschromosomen Männer, Frauen und mehrere Spielarten intersexueller Menschen.

Die strikte Zweiteilung der Gesellschaft in „Männer“ und „Frauen“ ist dagegen ein sozio-juristisches Konzept. Die Existenz von früher meist als „Zwitter“ bezeichneten zwischengeschlechtlichen Menschen ist zwar immer schon bekannt gewesen, jene wurden aber früher stets als „krankhaft“ oder „abartig“ gebrandmarkt, wobei regelmäßig kein Unterschied zwischen genetisch- körperlichen oder seelischen Ursachen und Erscheinungsformen gemacht wurde.

Warum ist das bis heute so? Warum steht „männlich“ oder „weiblich“ in einer Geburtsurkunde oder in einem Reisepass und nicht einfach „menschlich“?

Nun, an die Unterscheidung knüpfen sich bis heute bedeutsame Rechtsfolgen:

  • Die meisten Staaten lassen eine Eheschließung bis heute nur zwischen heterosexuellen Paaren zu. Ein österreichischer Standesbeamter muss sich daher vom Geschlecht der Brautleute überzeugen, bevor er eine Trauung vornehmen darf. Paare, die nicht nachweisen können, dass in ihren Papieren jeweils „Mann“ und „Frau“ steht, sind auf die eingetragene Partnerschaft beschränkt.
  • Frauen oder Männer dürfen öffentliche Einrichtungen, etwa eine Sauna, Garderoben- oder Duschräume, nicht betreten, wenn diese dauernd oder tageweise Personen des jeweils anderen Geschlechts vorbehalten sind.
  • Das Geschlecht bestimmt, in welcher Justizanstalt eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, und in welcher Abteilung man als Untersuchungshäftling einsitzt.
  • Männer müssen mit 18 zur Stellung  (und dann meist zum Bundesheer oder zum Zivildienst), Frauen dürfen sich freiwillig zum Militärdienst melden.
  • Das Geschlecht im Ausweis legt fest, wer dir bei einer Sicherheitskontrolle am Flughafen oder bei einer polizeilichen Durchsuchung körperlich nahekommen darf.
  • Für Frauen und Männer gilt ein unterschiedliches Alter für den Anfall einer regulären Alterspension der gesetzlichen Sozialversicherung.
  • Eine Frau darf in der katholischen Kirche nicht Priesterin werden, in keinen Männerorden eintreten und ist auch in anderen Religionsgemeinschaften – für die gesetzliche Diskriminierungsverbote in Kernfragen des Glaubens nicht gelten – von verschiedenen Funktionen und Ämtern ausgeschlossen.
  • Frauen werden gesetzlich aber verschiedentlich auch positiv diskriminiert, etwa in der Weise, dass bei einer Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst bis zur Erreichung einer bestimmten Quote unter mehreren gleich qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern einer Frau der Vorzug zu geben ist.
  • In den meisten Sportarten bestimmt das Geschlecht, in welcher Mannschaft, in welcher Liga oder mit welchen Leistungsvorgaben du mitmachen kannst.

Das sind nur die Fälle, die mir aus dem Stegreif oder nach kurzer Überlegung einfallen. Die gesetzliche Unterscheidung zwischen zwei Geschlechtern spiegelt sich aber auch hundertfach in der Verwaltungspraxis wider, etwa bei der Kategorisierung von Datenbanken der Kriminal-, Sicherheits- und Verwaltungspolizei. Daraus resultiert die tief sitzende Sorge etwa des Innenministeriums, ein Verzicht auf dieses Unterscheidungs- und Suchkriterium (oder eine erleichterte Vornamensänderung) könnte es „bösen Menschen“ aller Couleurs ermöglichen, ihre Spuren zu verwischen oder ihre Identität zu verschleiern.

Früher gab es noch viele, viele Fälle mehr. Ich möchte nur daran erinnern, dass Frauen jahrhundertelang vor allem in vermögensrechtlicher Hinsicht gesetzlich unter der Vormundschaft des Vaters oder Ehemanns gestanden sind, kein aktives oder passives Wahlrecht ausüben durften, und auf bestimmte Berufs- und Bildungswege beschränkt waren.

Was schließe ich nun daraus? Vor allem ist jeder Schritt zur sozialen Gleichberechtigung von Frau und Mann – aber auch von hetero- und homosexuellen Menschen – ein Schritt, um die Geschlechter-Zweiteilung der Gesellschaft obsolet zu machen. Ganz kann und soll sie auch nicht beseitigt werden, denn es gibt zahlreiche naturwissenschaftlich begründete Unterschiede zwischen den biologisch-genetischen Geschlechtern. Aber ebenso, wie es heute zu Recht als rassistisch und absolut unzulässig gälte, die Hautfarbe und den abstammungsmäßigen Typus (etwa überholte Begriffe der Rassenlehre à la „negroid-europider Mischling“) in Geburtsurkunden oder Ausweise einzutragen, brauchen wir langfristig keine vom Staat vorgenommene Einteilung in die rechtlich begründeten Zwangskategorien „Mann“ oder „Frau“ mehr.

Was aber nichts daran ändern wird, dass es sozial weiterhin zu geschätzten neunzig Perzent Männer und Frauen geben wird. Nur wird eben nicht jede/r davon schon gleich nach der Geburt im rosa oder blauen Strampelhöschen gesteckt haben. Und es wird wohl auch eine gewisse Zahl von Menschen geben, die sich nicht festlegen und bewusst einen switchenden, androgynen oder intersexuellen Lebensstil pflegen werden, weil das ihrem Charakter und ihren emotionalen Bedürfnissen am besten entspricht.

Es sollte ein wenig wie in der Sauna sein. Früher gab es eine strikte – auch als gesetzlich geboten erachtete – Trennung nach Geschlechtern, weil man dort ja nackt ist. Ich kann mich noch erinnern, wie in den 1970ern die Einführung eines gemischten Saunaabends im öffentlichen Bad einer Kleinstadt für ein gewaltiges Raunen an der Tratschbörse gesorgt hat. „Na, sagen’s, wer geht da aller hin?“, wollte jeder wissen, und man erregte sich an der Vorstellung von glotzenden männlichen Voyeuren, exhibitionistischen „Weibsbildern“ und allgemeinen Sexorgien im Ruheraum. Heute ist die gemischte Sauna der Regelfall und eine nach Geschlechtern getrennte Saunalandschaft ein Extra, das nur mehr große Badeanstalten anbieten.

Und die Welt, sie dreht sich weiter wie zuvor!

Edit: 16. Jänner 2012, einige kleinere, vor allem stilistisch bedingte Verbesserungen vorgenommen.

Published in: on 8. Januar 2012 at 14:51  Kommentare deaktiviert für Warum es noch Männer und Frauen gibt  
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