Dominique Strauss-Kahn, kurz DSK genannt, der frühere französische Finanzminister und Präsident des Internationalen Währungsfonds, ist wieder in Freiheit. Der Vorwurf der versuchten Vergewaltigung hat sich noch nicht in Luft aufgelöst. Doch die Frau, die anklagend auf ihn gezeigt hat, scheint sich selbst in Konflikt mit einigen Tatsachen gebracht zu haben, sodass die New Yorker Staatsanwälte aus Angst vor einer Blamage in dieser „clamorosen“ Causa ein paar Gänge zurückgeschaltet haben.
Aber auch wenn es einvernehmlicher Sex war, was lässt einen Mann, der alles hat, Erfolg, Ehre, Einkommen, Macht, ja die Chance, als französischer Staatspräsident einen einsamen Gipfel der Macht zu erklimmen, das Risiko eingehen, eine westafrikanische Asylantin, ein Zimmermädchen in einem Luxushotel, zum spontanen Oralsex zu drängen oder zu überreden? Denn ich glaube, zumindest letzteres können wir im Fall DSK als Tatsache annehmen.
Offenbar dieselben Körperteile, die US-Präsident Bill Clinton einst veranlasst haben, sich von der Praktikantin Monica Lewinsky einen blasen zu lassen: Schwanz und Eier. Jene männlichen „Edelsteine“ also, die, erst einmal voll unter Dampf, offenbar dem Gehirn keine Chance lassen und das Kommando übernehmen.
Wie viele – alle? – Beobachterinnen und Beobachter der jüngsten Fälle DSK und Kachelmann anmerken, prallen da Weltbilder aufeinander: Hier die feministische Theorie vom Mann als latent triebgesteuertem Unhold, dem nicht zu trauen sei, dort die maskulistische Theorie von der Frau als hinterhältigem Schmarotzerwesen, das den genetisch bedingten Drang des Mannes zur Fortpflanzung nutze, um ihn hinterher finanziell wie moralisch auszupressen.
Nun, genetisch bin ich ein Mann. Meine vor eineinhalb Jahren im Labor bestimmten Werte für die gängigsten Sexualhormone lagen alle im altersmäßigen Referenzbereich. Ich bin keine Testosteronbombe, aber ich funktioniere „da unten“ offenbar ganz normal.
Aber ich verstehe Männer wie DSK und Kachelmann nicht, die ihren Penis in jede weibliche Körperöffnung stecken müssen, die sich anbietet – und vielleicht noch viel mehr in die, die sich nicht anbieten!
Ich bin nicht prüde und „moralisch“, oh nein! Ich bin Libertine oder Libertin, ich glaube an ein gewisses Maß an erotischer Freiheit und Freizügigkeit, das man sich gönnen sollte. Wahrscheinlich hatte ich aber im Vergleich mit dem DSK-Menschentyp eine verschwindend kleine Zahl an sexuellen Begegnungen.
Aber macht dieses „Wham, bang, thank you, Ma’am!“, der schnelle Blow-Job vom Zimmermädchen, der Quickie mit der Sekretärin auf der Bürotoilette, im Verhältnis zum Risiko denn auch Spaß? Ich meine, wenn’s nur darum geht, sich schnell einen sexuellen Höhepunkt zu verschaffen: Selbstbefriedigung ist erfunden, funktioniert, und kann ihre Karriere nicht gefährden, meine Herren!
Also geht’s dem DSK-Mann wohl vorrangig gar nicht um Sex und den Abbau eines triebhaften Drangs, eines sprichwörtlichen Samen- und Hormonstaus? Haben die Feministinnen doch Recht, die männlichen Sex als Akt der Machtausübung über die Frau interpretieren? Geht es darum, „sich zu beweisen“, zu zeigen, dass man „es“ nicht nur physisch kann – DSK ist jenseits der 60, das sollte man nicht ganz übersehen -, sondern dass die Hand kraftvoll das Lenkrad dreht, man(n) fest im Sattel sitzt und das Kommando hat?
Als Mann hat mich der wahrscheinlich fehlende „Testo-Drive“ vielleicht daran gehindert, ein Alpha-Männchen vom Schlage DSKs zu werden (die dafür notwendige Intelligenz schreibe ich mir mal frech einfach zu). Und manchmal, nicht oft, aber immer wieder, erwische ich mich, erwische ich Tanja oder auch meine homosexuelle Seite bei Fantasien vom Sex mit dominanten, virilen, testosterongeladenen Männern. Stelle ich mir vor…nein, denkt euch den Rest, ich schreibe ja hier keine Pornogeschichte!
Hmmm, könnten also auch die Maskulisten Recht haben, die ein männlich-weibliches Machtgefälle als genetische Voraussetzung der Fortpflanzung interpretieren? Die sozusagen meinen, dass die Frau biologisch im Grunde auf „Beine breit!“ programmiert sei? Aber ich bin doch genetisch und hormonell keine Frau. Denke ich aber doch (auch) wie eine? Wie eine Frau, was für eine Frau? Eine Gute, eine Böse, eine Schlampe, eine mangelhaft emanzipierte Frau?
Oder habe ich einfach nur ab und zu einen bestimmten, variablen sexuellen Gusto, so wie man heute Sushi und morgen Schnitzel möchte?
Es ist kein Geheimnis, dass ich den kultur- und sozialwissenschaftlich geprägten Feministinnen mehr Sympathie entgegenbringe als den Maskuli(ni)sten mit ihrer deutlichen Orientierung an Biologie und Genetik. Auch wenn Tanja nicht unbedingt gängigen Emanzipationsidealen entspricht.
Aber zuhören sollte man beiden Seiten. Sonst wird man das Rätsel der DSK-Männer vielleicht nie entschlüsseln können.
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