Elfriede Hammerl ist eine feministische Legende unter Österreichs Journalistinnen. Sie schreibt regelmäßig für das Wochenmagazin Profil. Ihr Wort hat Gewicht.
Gestern ist in der Online-Ausgabe des Profil folgender Beitrag erschienen: „Elfriede Hammerl: Wer eine Frau ist – Konkurrenz auf High Heels um das Wohlwollen der Patriarchen.“ Dazu muss ich einfach eine kritische Erwiderung schreiben.
Eines hat die Autorin wohl richtig erkannt: den Rechten, dem sogenannten „Patriarchat“, den Gegnern der Gleichberechtigung überhaupt, ist es völlig egal, wer eine Frau ist, oder ob eine Transfrau als solche rechtlich anerkannt wird oder nur ein geistesgestörter Mann ist. Für die zählt vor allem, dass Frauen in der Gesellschaft unten sind.
Aber, wie viele traditionelle und neuerdings zur Gruppe der Gender Critcals zählbaren Femininstinnen, begibt sich Elfriede Hammerl auf den gefährlichen Pfad, das gesellschaftliche Frausein an der Biologie, an den Fortplanzungsorganen & Genitalien festzumachen. Unterm Strich steht da, dass Transfrauen eben doch nicht ganz oder eben keine richtigen Frauen sind. Sondern Männer, die nur so tun und halt von der Rechtsordnung – bedauerlicherweise? – als Frauen anerkannt werden.
Pauschal wirft sie den „Aktivistinnen der Trans-Frauen“ Geringschätzung für Cisfrauen vor, wobei sie das Doppeldenk-Kunststück schafft, den Kritisierten den biologisch differenzierenden Begriff „Cis-Frau“ als abwertend vorzuhalten, während sie ihnen ein paar Sätze weiter vorwirft, Frauen überhaupt in einem „bunten Angebot(s) an verschiedenen Geschlechtern“ zum Verschwinden bringen zu wollen. Unterschiede anerkennen ist also auch falsch? Das Ganze kulminiert in folgendem Befund:
„Es sieht aus, als wäre ein Konkurrenzkampf im Gange, nicht zur Abschaffung des Patriarchats, sondern um die Anerkennung der Patriarchen. Die Trans-Aktivistinnen kämpfen ihn mit den bewährten Methoden der Geschlechterungleichheit und präsentieren sich mit allen Attributen eines Rollenbilds, um dessen Überwindung sich die Frauenbewegung jahrzehntelang bemüht hat, sie präsentieren sich als Sexobjekte.“
Um im nächsten Satz das Uralt-Klischeebild der Drag-Queen mit „Sehnsucht nach High Heels und 15 Zentimeter langen Fingernägeln“ zu bemühen. Unterm Strich: Transfrauen sind Verbündete des Patriarchats und haben daher weniger Soldarität, dafür aber mehr verbale Hiebe mit dem Rohrstaberl auf die „15 Zentimeter langen Fingernägeln“ verdient. Denn, so Elfriede Hammerls Antwort auf die Frage, „wer aller verdient am Hype um die Geschlechtervielfalt. The Winner is …? Richtig, die Pharmaindustrie. Die plastische Chirurgie.“
Klar, Trans-Frauen sind also, überspitzt gesagt, verwirrte Männer, die vom Patriarchat, das bekanntlich ja diese Wirtschaftszweige beherrscht, dazu verführt werden, sich als Frauen zu gerieren, sich mit Hormonen vollzupumpen und sich Riesenbrüste aus Silikon machen zu lassen, damit das Gerschtl stimmt, um danach die Reinheit des weiblichen Geschlechts zu verschmutzen und die feministische Bewegung zu unterwandern. Dass eine seriöse Kolumnistin so etwas hintippt, das zusammengefasst fast wie die Beschreibung einer Verschwörungstheorie klingt, ist bemerkenswert.
Wie in so vielen Streitigkeiten unserer Tage geht es hier nicht darum, Gemeinsamkeiten zu finden und gemeinsam besser, stärker oder klüger zu werden. Oder Trennendes zu definieren und einander über diese Grenzen hinweg doch mit Respekt zu begegnen. Ja, es geht in diesem Kommentar um einen Konkurrenzkampf. Nämlich jenen um die Hoheit zu definieren, wer das echtere, moralisch hochwertigere Opfer einer finsteren Macht – hier des „Patriarchats“ – ist und daher den besseren Platz an der Opfer-Futterkrippe verdient hat. Eine im Grunde absurde Streitigkeit, die mir aber irgendwie erhellt, warum Dikatoren und Autokraten vom Schlage eines Putin oder Orban unsere liberale Gesellschaft für dekadent halten können.
Biologie ist übrigens ein Lieblingsfach der Rechten und des „Patriarchats“. Mangels eines passenden akademischen Abschlusses beteilige ich mich jetzt sicher nicht an der Diskussion, ob es biologisch beim Menschen zwei, drei oder zwanzig Geschlechter gibt. Als Juristin sage ich der Frau Hammerl aber, dass es für die Rechtsordnung derzeit in Österreich (und den meisten Mitgliedstaaten der EU) drei (Mann, Frau und Intersexuelle/r) gibt, und dass die Grenzen zwischen Mann und Frau überschritten werden können, weil rechtlich hier nicht Gene und Genitalien sondern die soziale (Selbst-) Einordnung entscheidet. Und als historisch denkender Mensch erinnere ich Frau Hammerl daran, dass der entscheidende Erfolg des Feminismus darin bestanden hat, den biologisch begründeten und durch Jahrhunderte kaum hinterfragten Standpunkt, wonach der Mann von Natur aus Soldat und Schaffender, die Frau aber Mutter und Dienerin sei, auf den Misthaufen der Geschichte zu befördern.
Wer in der Transgender-Frage die Biologie zur unabänderlichen gesellschaftlichen Richtschnur macht, stärkt nur jene, die das gerne rückgängig machen würden.