Wackelkontakt


In jüngster Zeit, wobei Zeit für mich in langen Maßen gemessen wird, in jüngster Zeit, Monaten, Jahren, schleichend, habe ich das Gefühl, dass der Kontakt zu meiner weiblichen Seite schwächer wird.

Was heißen könnte, dass ich hier alles zusammenpacke, diesen Blog aufrolle und beginne, meine Geschichte als Mann zu erzählen.

Nein, das passt auch nicht! Nichts passt! Die Dinge passen nur den Menschen, die glauben und nicht denken! Denken, das heißt im „Wenn“ und im „Aber“ schwimmen, den Kopf über Wasser halten, sich gegen das Untergehen wehren. Auch nicht gut, zu viel an übertriebener Dramatik!

Einige Jahre lang war ich mir meiner doppelten Identität ziemlich sicher. Aber im Augenblick wird Tanja schwächer. Und ich bin nicht froh darüber. Sie wird nicht verschwinden (ich war erst letzten Samstag Tanja), aber schwächer eben.

Ich suche nach den Ursachen. Da gibt es Hypothesen:

  • Ich altere sichtbar, habe ein paar Speckröllchen zu viel ober den Hüften, und einige meiner Sachen sind dadurch recht eng oder zu eng –> die rationale Erklärung.
  • Ich bin ein Herz und eine Seele mit meiner Liebsten, und da stört Tanja als „die Andere“ und wird eskapistisch weniger gebraucht –> die emotionale Erklärung.
  • Die immer wieder sichtbar werdende Spaltung der Transgender-Gemeinschaft in Transvestiten und Transsexuelle frustriert mich –> die politische Erklärung.

Vielleicht ist es eine Mischung aus allen dreien.

Published in: on 12. März 2016 at 21:39  Kommentare deaktiviert für Wackelkontakt  
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Segen und oder Fluch?


Eine Sache, um die transsexuelle Menschen nicht herumkommen, und mit der auch eine Tivi sich befassen sollte, ist die geschlechtsangleichende Operation, kurz gaOP genannt (–> Trans…wie? Mittelgroßes TG-Glossar).

Das Thema gaOP ist in der Transgender-Szene wie ein Streichholzkopf. Reibt man daran, fängt es an zu brennen.

Das liegt wohl daran, dass dieses Thema für Transsexuelle unglaublich stark emotionalisiert ist – und dies in gleich mehrfacher Hinsicht:

  • Für viele Transmenschen ist die gaOP das Ziel ihrer Wünsche. Äußert man sich dahingehend, dass sie, nüchtern und rein  medizinisch betrachtet, ein schwerer, ja verstümmelnder Eingriff in die körperliche Integrität ist, provoziert man immer wieder ablehnende Reaktionen.
  • Die Abschaffung des Zwanges, sich einer gaOP zu unterziehen, um eine Änderung seines Geschlechts in der Geburtenbucheintragung zu erhalten, hat die Transgender-Community im Grunde tief gespalten. Gespalten in eine Fraktion, die dies als Sieg gegen staatliche Zwänge sieht – zu der zähle ich mich -, und eine, die darin wohl eine unerwünschte Aufweichung der gefälligst mühsam unter Schweiß & Tränen zu überschreitenden Geschlechtsgrenzen sieht.
  • Nüchtern betrachtet sind die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie, aus einem genetischen Mann auch äußerlich eine Frau oder aus einer genetischen Frau auch äußerlich einen Mann zu machen, noch immer sehr beschränkt. Transfrauen haben es dabei besser als Transmänner, denn bei ihnen besteht zumindest die Möglichkeit, das äußere Erscheinungsbild weiblicher Genitalien täuschend echt nachzubilden. Und Brüste kann man mit Hilfe von Silikon recht gut formen, wenn Hormone nicht genug wirken. Das Ergebnis einer FzM-gaOP wird dagegen nicht ohne Grund bloß als Penoid bezeichnet. Und selbst dafür muss man regelmäßig mühsam Haut und Muskelfleisch transplantieren.
  • Eines der großen Tabus ist das Sexualleben von transsexuellen Menschen post-OP. Ich kenne keine Zahlen, weiß nicht, ob es seriöse Zahlen überhaupt gibt, aber ich tippe darauf, dass eine nicht unbeträchtliche Zahl von ihnen auch im sexuell aktiven Alter keusch und enthaltsam lebt oder leben muss. Mangelnde Erregungs- und Orgasmusfähigkeit aber auch die simple Schwierigkeit, auf dem Beziehungsmarkt dauerhafte Partner/innen zu finden, dürften daran schuld sein.

Die Diskussion über diese vier Punkte gleicht einem Minenfeld. Ein falsches oder falsch verstandenes Wort, und es wird emotional und/oder persönlich, gekennzeichnet durch Sätze wie: „Du als [hier passende TG-Kategorie einsetzen] verstehst das ja nicht!“

Ich frage mich oft, was ich tun würde, wenn ich mich innerlich ganz von der Männerrolle lösen müsste. Würde ich das Leben als „Mischform“, als Non-OP-TS, als „Frau mit Penis“ den gesundheitlichen Risiken und Schmerzen einer gaOP vorziehen? Würde ich mich als Post-OP-TS „vollständig“ und „echt“ fühlen in einem Körper, der doch teilweise eine künstliche Kreation wäre? Weiß ich überhaupt auch nur annäherungsweise, wie eine transsexuelle Frau emotional tickt?

Als Tivi und Moderatorin bin ich im Transgender.at-Forum schon mehrfach mit dem Vorwurf konfrontiert gewesen, Tivis und Non-OP-Transsexuelle würden „operationswillige“ Transfrauen diskriminieren, ins Lächerliche ziehen, ja sinngemäß die natürliche Ordnung der Dinge durch ihre Unentschiedenheit stören. Nur „Operationswillige“ sollten ein Recht auf Personenstandsänderung haben, dass dies verfassungsrechtlich nicht mehr möglich sei, sollte bedauert werden. Diese mir fremden Denkweise (–> „Realos“) erinnert mich entfernt an die Verhältnisse im Iran, wo Homosexuelle und Transvestiten staatlicherseits verfolgt werden, Post-OP-Transfrauen aber eine verhältnismäßig respektierte Existenz führen können. In logischer Folge gibt es im Iran eine erstaunlich hohe Zahl an gaOPs und damit Post-OP-TS. Wie viele davon eigentlich schwule Männer sind, die sich vor dem Terror einer falsch verstandenen islamischen Moral unter diesen Schutzschirm geflüchtet haben, um mit einem Mann leben zu können, weiß niemand.

Mich erschreckt nur, wie sehr die Freiheit manche Menschen erschrecken kann.

Zickenkrieg im Transgenderland?


Auf die Gefahr hin, dass die falschen Leute das lustig finden, denn es ist eigentlich eine höchst traurige Geschichte.

Die privat betriebene Website transgender.at bietet auch eine Mailingliste (mit Online-Archiv), die bisher als offene Plattform für den Informations- und Meinungsaustausch unter auch politisch etwas interessierten Trans-Menschen weite Verbreitung hatte.

Nicht dass dort nicht schon früher ab und zu die Funken geflogen wären! Es gibt unterschwellige Rivalitäten zwischen Betroffenenorganisationen und deren Funktionär/inn/en (die man natürlich nie zugeben würde!), die eine oder andere Teilnehmerin ist auch (partei-)politisch aktiv (auf der linken Seite des politischen Spektrums) und entfacht daher immer wieder entsprechende Diskussionen.

In jüngster Zeit aber hat ein Maß an Boshaftigkeit und Aggression die Diskussion beherrscht, das alles andere erstickt hat. Provokation und Gegenprovokation, gezielte, ins Persönliche (Alter, Aussehen…) gehende Beleidigungen und Untergriffe, einmal gab es sogar eine – ernstzunehmende – Klagsdrohung. Das eine oder andere Mal habe ich mich selber am munteren Steinewerfen beteiligt, dann habe ich wieder zu vermitteln versucht. Inzwischen führen wir „Listies“ eigentlich nur mehr eine Meta-Diskussion um die Fragen „Wer hat angefangen?“ und „Brauchen wir strengere Benimmregeln und eine Moderation?“. Einige sagen sogar offen, dass die Liste tot ist, oder verabschieden sich still und grußlos. Abschreckend ist das, was da passiert, sicher allemal! Die Betreiberin soll ernsthaft überlegen, den Listserver oder gleich die ganze Website abzudrehen, da sie nicht als „Lohn“ für ihr zur Gänze ideelles Engagement noch in einen medienrechtlichen (Straf-) Prozess hineingezogen werden möchte.

Sind wir Transgender am Ende gar anfälliger für „Zickenkriege“? Sorgt Unsicherheit über die geschlechtliche Identität, die ich auch für mich selbst nicht ganz leugnen möchte, für stärkere und emotionaler gefärbte Reaktionen? Ist der Anteil an egozentrischen „Diven“ in unserer Mitte höher als anderswo? Sind am Ende gar die Hormone (welcher Art und woher auch immer in die Blutbahn kommend ;-)) schuld?

Oder ist das alles einfach eine blöde, menschlich-allzumenschliche Zufallskonstellation?

Update 8. April 2011, 16.45 Uhr: Inzwischen wurde die Sperre der betreffenden Mailingliste (für vorerst zehn Tage) verfügt.

Update 10. Mai 2011, 20.10 Uhr: Die Mailingliste wird wohl nicht mehr wieder in Betrieb gehen.