Dear Mr President,


vor vielen Jahren hat eine ihrer Landsfrauen, Barbara Tuchman, eine glühende Patriotin, überzeugt von der zivilisatorischen Mission der Vereinigten Staaten von Amerika, ein Buch geschrieben.

„The March of Folly“ (deutscher Titel: „Die Torheit der Regierenden“) schildert an Hand zahlreicher historischer Beispiele wie Regierungen unter dem Einfluss von Dummheit und Verblendung, unbewusst aber zielgerichtet, gegen eigene Interessen handeln und mitunter Katastrophen historischen Ausmaßes heraufbeschwören. Man erzählt sich, ihr Vorgänger John F. Kennedy habe sich unter dem Einfluss eines anderen Buches derselben Autorin („The Guns of August“, ein Buch über den Ausbruch des 1. Weltkriegs) in der Kuba-Raketenkrise von 1962 dazu entschlossen, auf die Stimmen zu hören, die ihn vor einer militärischen Eskalation warnten.

Ich lege ihnen „The March of Folly“ nun zur (wiederholten) Lektüre ans Herz. Und anschließend sollten sie in einer ruhigen Minute nochmals über die globalen Aktivitäten ihrer National Security Agency (NSA) und deren Auswirkungen auf die Interessen der Vereinigten Staaten nachdenken.

Es gibt in den Staaten von Europa, dem Kontinent, auf dem ich lebe, nicht wenige Hitzköpfe, die unter Größenwahn und Realitätsverlust leiden. Sie würden es gerne sehen, wenn Flugzeugträger und strategische Nuklear-U-Boote unter der blauen Flagge mit dem Sternenkranz die Meere durchkreuzen würden. Sie wünschen sich einen europäischen Staat, eine „Union“ im Sinne des US-Bundesverfassungsrechts, komplett mit allen wirtschaftlichen, diplomatischen und militärischen Droh- und Machtmitteln. Und ihr Lieblings-Reibebaum, ihr Wunschgegner, das sind sie, sind die Vereinigten Staaten von Amerika!

Ich will das nicht.

Ich bin Bürgerin eines Kleinstaates und Patriotin. Ich habe die Vereinigten Staaten von Amerika immer als meinem Land freundlich gesinnt und als Vorbild empfunden. Wenn Washington den Hegemon spielen wollte, dann war es weit weg, und die Konzessionen, die es verlangt hat, waren vergleichsweise bescheiden. Brüssel dagegen liegt gleich um die Ecke, und die Art und Weise, wie es sich bereits jetzt in die Belange meiner Heimat einmischt, ist ärgerlich und besorgniserregend.

Mr President, ihre Politik unterschätzt meines Erachtens die kritische Masse, die sich da zusammenballt, in sträflicher Weise. Natürlich übertreiben Menschen, Medien und Regierungen hie und da. Aber ohne einen ganz anderen Tonfall, ohne einen radikalen Abbau an Arroganz, im Ton und in den Taten, könnten auch Menschen wie ich, bescheidene Kleinstaat-Patriotinnen und -Patrioten, die sich nach keinem EU-Superstaat sehnen, früher oder später gezwungen sein, eine Wahl zu treffen. Eine Wahl zwischen fortgesetzter Demütigung durch ihre Regierung oder Eingliederung in jenen gefährlichen EU-Golem, den ich persönlich zutiefst verabscheue.

Lesen Sie, und denken Sie drüber nach! Oder lassen Sie zumindest ein paar Jungspunde aus ihrem Team darüber nachdenken!

Published in: on 3. Juli 2013 at 23:06  Kommentare deaktiviert für Dear Mr President,  
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Warum ich nicht für Barack Obama stimmen würde


Würde ich für Mitt Romney, den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner stimmen?

Sicher nicht. Es gibt zu vieles, was mich in gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Fragen von der konservativen Hälfte des politischen Spektrums der Vereinigten Staaten von Amerika trennt.

Aber es gibt eines, das ich dem amtierenden Präsidenten, bei allen guten Absichten und innenpolitischen( Teil-) Erfolgen nicht verzeihen kann: den Tod von Osama bin Laden.

Es geht hier einerseits nicht um den einzelnen Mann, Osama, seine Verbrechen, seine Schuld und seine Strafe. Ich habe keine Zweifel, dass hier ein Anstifter zum mehrtausendfachen Mord gestorben ist, der nach moralischen Maßstäben den Tod verdient haben könnte.

Denn es ist andererseits unerträglich, dass der andere, Obama, der Präsident des mächtigsten Staates der Erde, seinen Soldaten befohlen haben könnte: „Schnappt euch den Kerl, und wenn ihn – rein zufällig natürlich, in Notwehr oder beim Versuch zu flüchten – dabei eine Kugel trifft, wird keiner nach den näheren Umständen fragen.“ Dies alles untermalt von einem unmissverständlichen präsidentiellen Augenzwinkern: „Bringt mir den Kopf von Osama bin Laden!“

Diktatoren befehlen „Justizmorde“, machen sich zu Staatsanwalt, Richter und Henker in Personalunion, demokratische Staatschefs dürfen dies nicht tun!  Nicht, wenn sie einem Staat vorstehen, über dessen oberstem Gerichtshof die Giebelinschrift „Equal Justice Under Law“ prangt, dessen Verfassung das Prinzip des „due process of law“ (rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens) hochhält, so wie es im 6. Amendment (Ergänzungsartikel) der Verfassung der Vereinigten Staaten für den Strafprozess festgeschrieben ist:

In all criminal prosecutions, the accused shall enjoy the right to a speedy and public trial, by an impartial jury of the State and district wherein the crime shall have been committed, which district shall have been previously ascertained by law, and to be informed of the nature and cause of the accusation; to be confronted with the witnesses against him; to have compulsory process for obtaining witnesses in his favor, and to have the Assistance of Counsel for his defence.

In deutscher Übersetzung:

In allen Strafverfahren hat der Angeklagte Anspruch auf einen unverzüglichen und öffentlichen Prozess vor einem unparteiischen Geschworenengericht desjenigen Staates und Bezirks, in welchem die Straftat begangen wurde, wobei der zuständige Bezirk vorher auf gesetzlichem Wege zu ermitteln ist. Er hat weiterhin Anspruch darauf, über die Art und Gründe der Anklage unterrichtet und den Belastungszeugen gegenübergestellt zu werden, sowie auf Zwangsvorladung von Entlastungszeugen und einen Rechtsbeistand zu seiner Verteidigung. (Quelle: Wikipedia)

Nichts davon hat Osama gekriegt. Und Obama hofft unter anderem, als „Sieger“ in dieser „Schlacht“ im „Krieg gegen den Terror“ (eine Kompanie schwerbewaffneter Elitesoldaten hat einen alten Mann und ein paar seiner Begleiter und Leibwächter erschossen) seine zweite Amtszeit zu sichern.

Abseits des kommenden Wahlergebnisses hat er damit jedoch nur eines erreicht: zahlreiche Schweinereien der Regierung von George W. Bush sind nachträglich bestätigt und legitimiert worden: die Vermengung von Kriegsführung und Strafverfolgung, die Verschmutzung des Strafrechts durch das Kriegsvölkerrecht (gemäß dem ein Feind einfach getötet werden darf), die Folterkeller der CIA, die Anhaltelager und die Militärtribunale. Barack Obama hat diese Instrumente und das dazugehörige Klima, erdacht und geschaffen von seinen politischen Todfeinden, einfach skrupellos benutzt. Und er ist jenen damit ähnlich, zu ähnlich geworden.

Die Israelis haben den Kriegsverbrecher und Massenmörder Eichmann im Jahre 1960 in einem erstaunlich hellsichtigen Moment ihrer Geschichte – was keine Selbstverständlichkeit darstellt! – in Argentinien gerade nicht einfach von ihren Agenten per Genickschuss töten lassen. Nein, sie haben ihn, ungeachtet aller Unwägbarkeiten und möglichen außenpolitischen Verwicklungen, mitgenommen und vor ein Gericht gestellt.

Wäre ich Bürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika, ich würde wohl weiß oder eine/n der unabhängigen Kandidat/inn/en wählen.

Published in: on 1. November 2012 at 22:34  Kommentare deaktiviert für Warum ich nicht für Barack Obama stimmen würde  
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Fort Sumter, 12. April 1861, halb Fünf Uhr morgens


Ein Freiwilliger der Staatsmiliz von South Carolina namens Edmund Ruffin zieht die Zündschnur seiner Kanone. Ein Krachen, eine Granate verlässt den Geschützlauf und schlägt in Fort Sumter, einem steinernen Kastell in der Hafeneinfahrt von Charleston, South Carolina, ein. Die Streitkräfte der „Konföderierten Staaten von Amerika“ (CSA) haben den ersten Schuss auf eine militärische Stellung der „Vereinigten Staaten von Amerika“ (USA) abgefeuert, der Amerikanische Bürgerkrieg hat begonnen.

Es ist auf den Tag einhundertfünfzig Jahre her.

Es endete rund 560.000 Tote später am 23. Juni 1865 mit der Kapitulation der letzten konföderierten Einheiten in Texas.

Dieser blutigste einzelne Krieg in der Geschichte der USA begann wegen einer Nichtigkeit, er brach eines Symbols wegen aus. Denn seit der Wahl von Präsident Abraham Lincoln im Herbst 1860 hatte sich ein Staat des Südens nach dem anderen von der Union losgesagt und war den neugebildeten CSA beigetreten. Nahezu unwidersprochen, ohne mehr als bloß verbalen Protest seitens der Bundesbehörden, auch nach dem Amtsantritt der Regierung Lincoln am 4. März 1861. Die Bundesbeamten im Süden legten einfach ihre Ämter nieder und verließen die Gerichtshöfe, Zoll- und Postämter, die Armee räumte Festungen und Kasernen, die Kriegsmarine Docks und Werften. Anfang April 1861 war die Sezession eine Tatsache, die CSA verfügten über alle Elemente eines funktionierenden Bundesstaates.

Nur an zwei Punkten behauptete die Unionsarmee symbolische Positionen im Süden: Fort Sumter, in der Einfahrt der Hafenbucht von Charleston gelegen und bereits von Stellungen der neu gebildeten konföderierten Streitkräfte auf dem Festland umzingelt, und Fort Pickens vor Pensacola in Florida. Ein Versuch, die weniger als hundert Mann zählende Besatzung der U.S. Army in Fort Sumter unter dem Kommando eines Major Anderson zu verstärken oder zu versorgen, scheiterte. Nicht zuletzt, weil Präsident Lincoln das Risiko einer gewaltsamen Auseinandersetzung scheute. Schließlich befreiten ihn die Behörden South Carolinas gewissermaßen aus dem Dilemma, in dem sie ein Ultimatum zum Abzug der Bundestruppen aus Fort Sumter setzten, das Washington ungenutzt verstreichen ließ.

Und dann feuerte Edmund Ruffin seine Kanone ab.

Die folgende Belagerung dauerte nur 34 Stunden, die einzigen Toten auf Seiten der U.S. Army starben bei einem Schießunfall während des Flaggensaluts vor dem Abzug aus der Festung. Major Anderson kapitulierte, weil seine Position ohne Aussicht auf Nachschub militärisch nicht haltbar war.

Fort Pickens in Florida dagegen war die einzige Stellung auf CSA-Territorum, die die USA während des gesamten Bürgerkriegs ununterbrochen hielten. Strategisch war die Sache der Konföderation vom ersten Kriegstag an unhaltbar. Der Norden brauchte nur den längeren Atem – den er am Ende auch hatte.

Bis heute ist mein persönliches Empfinden zum amerikanischen Bürgerkrieg sehr gespalten. Als überzeugte Anhängerin des kleinräumigen Nationalstaates, des Rechts auf nationale Selbstbestimmung und der Bewahrung regionaler Traditionen, kann ich die Sache der Konföderierten in diesem Sinne verstehen. Als Schutz- und Trutzbund zur Verteidigung der Sklaverei und des Rassismus war ebendiese Sache jedoch zugleich abscheulich und intolerabel.

Der Bürgerkrieg beendete die Sklaverei übrigens nur auf dem Papier. Ein schweigender und verlogener  Pakt zwischen den – weißen – Eliten des Nordens und des Südens sabotierte nach 1865 bald alle Bemühungen zur tatsächlichen Emanzipation und Gleichstellung der Afroamerikaner im Süden. Ein rassistisches Apartheid-System blockierte soziale Kontakte über die Rassenschranken hinweg, bürokratische Schikanen und staatlich geduldeter weißer Terror verhinderten politische Mitbestimmung der Afroamerikaner, und ein ausbeuterisches Pacht-System perpetuierte die wirtschaftlichen Bedingungen der Sklaverei unter anderem Namen.

Erst die Bürgerrechtsbewegung rund hundert Jahre nach dem Bürgerkrieg leitete das Ende des Rassismus und den Sieg der Gleichberechtigung ein.

Zwei Lese- und Schauempfehlungen zum Thema:

  1. Crisis at Fort Sumter – ein englischsprachiges Lehr- und Lernprogramm der Tulane-University, New Orleans, rund um den Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs
  2. The Civil War – der Amerikanische Bürgerkrieg, ein neunteiliger Dokumentarfilm von Ken Burns von 1990, ist immer noch, trotz einiger später aufgedeckter historischer Unschärfen, das gültige Filmwerk zum Thema. Wird wohl aus gegebenem Anlass auf dem einen oder anderen Fernsehkanal wiederholt werden, und ist (auch auf Deutsch) auf DVD erhältlich.
Published in: on 12. April 2011 at 01:19  Comments (5)  
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