Queerer Sex


Eine der Wurzeln des alten Klischeebilds von der Tunte, vom schwulen Transvestiten, der auf der Jagd nach Männern ist, kann man darin suchen, dass das feminine, im Idealfall perfekt weibliche Erscheinungsbild einer Tivi es Männern, die ihre homosexuellen erotischen Bedürfnisse nur mehr oder weniger heimlich ausleben, viel leichter macht, zu flirten und anzubandeln. Man flirtet mit einer Frau und bekommt, ein wenig verschämt vielleicht, dennoch jene genitalen Berührungen und Zärtlichkeiten, die es beim Heterosex nicht gibt. Man kann sich dabei auch noch einreden, von der Tivi, da ja so feminin ausgesehen hat, getäuscht worden zu sein. Ob das jemand Dritter glauben würde, steht auf einem anderen Blatt. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass Tivis im erotischen Beuteschema schwuler Männer etwa bei Null und in dem bisexueller Männer bei etwa 100 rangieren.

Wenn ich mich selbst an die Stelle der Tivi denke, dann wäre das aber auch keine wirkliche homosexuelle Begegnung, denn als Tivi empfinde ich mich als Frau. Wenn ich mit einem Mann Sex habe, der sich als Mann empfindet, was haben wir dann? Irgendetwas, das in kein Schema passt. „Queeren Sex“, so würde ich das ganz einfach nennen.

Ob es wohl eine Statistik darüber gibt, wie oft solcher queerer Sex vorkommt? Sehr selten, wäre meine Antwort. Sex ist in hohem Maße eine Kopfsache, und dazu gehört, dass die Fantasie alles, was passiert, aufbläst und größer macht, einfach nach dem Motto: öfter, geiler, wilder.

Published in: on 20. Oktober 2019 at 21:34  Comments (1)  
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Freiwillige vor?


The Transgender Pride flag (designed by Monica Helms, Quelle: Wikimedia Commons)

The Transgender Pride flag (designed by Monica Helms, Quelle: Wikimedia Commons)

Eine der Fragen, um die sich die ganze Transgenderwelt dreht, ist die Frage der Freiwilligkeit. Kann man freiwillig Transgender, zumindest vielleicht Transvestit, werden, oder ist es eine Art von Schicksal, eine Frage der Gehirnentwicklung unter Einfluss pränataler Hormonströme oder bestimmter ererbter synaptischer Verbindungen? Alles sehr kompliziert, und immer zum selben Ergebnis führend: die/der Einzelne kann nichts dafür!

Oder kann man sich in diese Richtung entwickeln? Ist es ein suchtmäßiges Verhalten? – ich erinnere da an die sicher vielen Transmenschen bekannten Versuche, die eigene, z.B. weibliche Identität abzustreifen, die mit schöner Regelmäßigkeit in „Rückfällen“ enden. Kann man durch Erziehung zum Transgender gemacht werden? Vor letzterem warnen Vertreterinnen und Vertreter einer konservativen Pädagogik mit gewisser Regelmäßigkeit („Lasst Buben bloß keine Röcke tragen!“). Oder kann man sich fürs Transgendersein als Lebensstil entscheiden? Einfach so, wie man sich für modebewusstes Dandytum oder das spirituelle Leben einer Klosterschwester entscheiden kann? Und wie ist das dann, ist nur der Einstieg freiwillig, kann man auch jederzeit wieder aussteigen, oder gibt es einen Punkt, ab dem es kein Zurück mehr gibt (–> „Sucht“)?

Fragen über Fragen! Einige davon haben in der Transgender-Welt das Zeug zu Streitfällen. Und treiben immer wieder einen Keil zwischen Transsexuelle und den Rest, da es für Transsexuelle vielfach vorteilhafter scheint, vom Schicksal einschlägig geschlagen worden zu sein. Hat man einmal die sichere Diagnose F-64.0, ist der weitere Weg klar. Wozu also über die Ursachen nachdenken? Schon die Frage nach möglicher Freiwilligkeit wird da fast zum Tabubruch, zur Zumutung, weil sie Verantwortung impliziert.  Oder zugespitzt gesagt: „Tivis machen ‚das‘ vielleicht freiwillig, wir aber….“

Machen sie aber nicht, die Tivis. Sie haben bloß viel mehr Möglichkeiten, ihre – schwächer ausgeprägte – abweichende Geschlechtsidentität zu verbergen und zu kompensieren.

Die Vertreterinnen und Vertreter von Transgendersein als Schicksal haben, soviel scheint mir klar, die neusten Forschungen der medizinischen und biologischen Wissenschaften auf ihrer Seite:

„Obwohl beispielsweise Harry Benjamin annahm, dass es sich bei Transsexualismus um eine Sonderform der Intersexualität handelt, entwickelte sich in den 1970ern die Theorie, es gebe grundsätzlich psychische Ursachen für Transsexualismus; allerdings konnte bisher kein Modell entwickelt werden, welches unumstritten auf einen Großteil der Betroffenen zutrifft.

Mittlerweile stützen einige Untersuchungen, die auf körperliche Ursachen bzw. Prädispositionen hindeuten, die ursprüngliche Vermutung Benjamins. Diese wird mittlerweile durch von Zhou und Kollegen publizierte Daten gestützt.[8][9][10] Sie fanden Hinweise darauf, dass in der pränatalen Entwicklungsphase dieselben Sexualhormone zu unterschiedlichen Zeitabschnitten zum einen die Morphologie der Genitalien und zum anderen die Morphologie sowie die Funktion des Gehirns beeinflussen.

Einer anderen Studie zufolge könnte ein hormonelles Ungleichgewicht während der Embryonalentwicklung dazu beitragen, dass ein Mensch transsexuell geboren wird.[11]

Ein weiteres Indiz dafür, dass Transsexualität höchstwahrscheinlich angeboren ist, ist die frühe Selbsterkenntnis transsexueller Kinder und Jugendlicher. Nach[12] können Kinder durchschnittlich in einem Alter von 8,5 Jahren ihre Geschlechtsidentität zuordnen. In der Studie mit über 100 transsexuellen Kindern und Jugendlichen lag die Bandbreite der Selbsterkenntnis in einem Alter zwischen 4 und 13 Jahren.“

(Quelle: Wikipedia (deutsch), Artikel „Transsexualität“, Abschnitt „Ursachen“, Stand: 28.11.2017)

Möglicherweise, ja sogar wahrscheinlich, gibt es noch weitere Forschungsergebnisse, die in diese Richtung deuten.

Also doch angeboren, keine Freiwilligkeit, keine „Ansteckung“ durch Erziehung oder soziales Verhalten möglich, keine Suchtgefahr.

Beruhigend – aber auch wieder nicht! Mich prägt eine tiefsitzende Skepsis gegenüber Erklärungen, die dem Menschen jede Entscheidung über eigenes Verhalten absprechen. Denn sie erklären, konsequent betrachtet, Freiheit zur Illusion, nehmen uns die Verantwortung und lassen umgekehrt der Gesellschaft keine Wahl, als einen Menschen im Extremfall (wenn eine Gefahr von ihm ausgeht, also meine ich hier ausdrücklich keine Transgender!) ohne Chance auf Bewährung wegzusperren. Solch eine Erklärung irgendeines Verhaltens muss daher die letzte Möglichkeit, die ultima ratio sein, die nur um Fall der Unwiderlegbarkeit zu akzeptieren ist.

Und natürlich gibt es Fragen, die offen bleiben. Wie ist das mit Menschen, die den Wunsch empfinden, sich keiner der binären Geschlechtsrollen „Mann“ oder „Frau“ eindeutig zuzuordnen? Gehören die dazu zum „Stamm der Transgender“? Oder sind sie, weil selbst eine Entscheidung treffend (ist das so?), „draußen“ oder nur „Transgender zweiter Klasse“? Und wie ist das mit den Gender-Switchern, die aus sexuellen Motiven handeln, also denen, die man z.B. fetischistische Transvestiten (Diagnose F-65.1) nennt? Meiner bescheidenen Meinung nach ist eine absolut saubere Trennung da gar nicht möglich. Schließlich hat jede/r Transgender gelernt, dass „die Fetischisten“ dubios sind, und was man sagen muss, damit man bei diversen Tests oder therapeutischen Explorationen bei denen nicht anstreift.

Ich bin mir selber nicht sicher, ob ich eine unwiderlegbare wissenschaftliche Erklärung fürchte oder herbeisehne.

Published in: on 28. November 2017 at 17:04  Kommentare deaktiviert für Freiwillige vor?  
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Alex und die Busen-Neider


Alex, der schneit da einfach herein und bringt die schöne, heile Transgender-Welt durcheinander! Reißt dutzende von Transfrauen aus ihrer gemächlichen Ruhe, und lässt es in zwei bis drei Wassergläsern mit Orkanstärke stürmen!

Ich schreibe über den Menschen, der diesen Gastkommentar in einem Blog verfasst hat: Der Mannfrau: Leben ohne Gender-Stereotypen. Einen faszinierenden, mir im Grunde sympathischen Menschen mit kreativ-künstlerischem Hintergrund, der als Non-Binary lebt, das heißt, sich körperlich und dem Lebensstil nach weder fest dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen möchte. Allein das war für mich ein Anlass, mein eigenes TG-Glossar hier im Blog wieder einmal zu bearbeiten.

Vor diesem Artikel war er kurze Zeit recht aktiv im TransGender.at-Forum, das ich co-moderiere, bis er sich schmollend – und publizistische „Gegenschläge“ andeutend – wieder zurückgezogen hat (Abschiedsposting vom 20. September 2017). Aus meiner Sicht war die Ursache für seinen Ärger nicht so sehr die Kritik, die ihm von einigen Userinnen zuteil wurde, als vielmehr seine naive Erwartungshaltung beim Eintritt. Aber wenn jemand mit dem Anspruch, ein Profi zu sein und mit Profis (Fotograf/inn/en, Visagist/inn/en) zu arbeiten, auftritt und eine Fotoserie präsentiert, dann muss er auch entsprechende Kritik (also z.B. an Kleidung, Posen und Make-up auf Fotos) aushalten. Wenn jemand mit dem Anspruch, völlig anders als der Rest der betreffenden Peer-Group zu sein, in ein Internet-Forum kommt, sollte er es auch aushalten, wenn man seine ganz persönliche Rolle hinterfragt oder bezweifelt. Vor allem, wenn er der Gruppe den Eindruck vermittelt hat, es besser als alle anderen zu machen.

Alex hat bei mir den Eindruck hinterlassen, für seinen Lebensstil und seine Arbeit eine Welle uneingeschränkten Applauses erwartet zu haben. Die gab es aber nicht. Und das hat Alex gekränkt. Und so kam eines zum anderen.

Womit Alex jedoch Unmut und Protest hervorruft, sind Passagen wie die folgende:

Mit meinen schulterlangen Haaren und androgynem Look wurde ich schon oft als Frau angesprochen. Ich sah das nie als Beleidigung, sondern als Kompliment, da selbst bekennende Transgender ein derartiges „Passing“ nur selten schaffen. Immer, wenn ich selbst eine Trans-Frau auf der Straße sah, war ich entsetzt, wie sehr diese aus großer Entfernung auffiel und welche negativen Reaktionen sie bei den Menschen verursachte. War es das schlechte MakeUp, die überzogene Körpersprache, das übertrieben weibliche Outfit, oder doch einfach die männlichen Gesichtszüge, die massiven Schultern und die fehlende Hüfte, die sie verriet? Ob ich in der Masse von Menschen als Frau durchgehen könnte? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, als Mann weibliche Kleidung zu tragen, ohne aufzufallen bzw. lächerlich zu wirken?

Ich versuche die Botschaft, die Alex damit an andere Transgender, insbesondere an Transsexuelle sendet, einmal einfach zugespitzt in andere Worte zu übersetzen:

Ich bin toll. Auch ohne aufwändige Behandlungen habe ich als Non-Binary ein Passing als Frau, das Transgender selten schaffen. Die wirken meistens lächerlich und fallen auf. Und die haben einfach nicht den Stil, den ich als Profi habe! Wenn die einfach mir als Non-Binary nacheifern würden, ginge es ihnen besser.

So kommt das vermutlich ungefähr rüber.

Ich kann verstehen, wenn eine transsexuelle Frau bei solchen Aussagen vor Wut aufheult und ablehnend reagiert. Für sie sind ihr Leben und ihre Transition nämlich keine Fragen eines wählbaren Lebensstils sondern schlichte Notwendigkeiten. Ein schlechtes Passing, das das Geburtsgeschlecht erkennen oder auch nur erahnen lässt, kann für sie seelische Schmerzen bedeuten.

Und dann kommt die Passage, mit der Alex mehr oder weniger die Brücken zwischen sich und großen Teilen der TG-Gemeinschaft abbricht (Unterstreichungen von mir):

„Meiner Meinung basiert Transsexualität oft auf Männer mit Busen- und Feminismus-Neid, die mit ihrer gesellschaftlichen Rolle und dem beruflichen, privaten sowie sexuellen Druck nicht zurechtkommen bzw. überfordert sind und sich Besserung bzw. Absolution dadurch erhoffen, den Penis operativ zur Fake-Vagina operieren zu lassen und nach einem veralteten Frauenbild zu leben. Und dann komm ich daher und lebe ihnen vor, dass man sich nicht für ein Geschlecht entscheiden muss, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden und die Vorteile von Mann und Frau vereinen kann, was ihren gesamten Lebensweg anzweifelt.“

Das ist aus meiner Sicht eine Aussage an der Kippe zum Lächerlichen. Damit wildert er noch dazu auf einem Gebiet, das zu beurteilen er weder durch eigenes Erleben, noch durch eine fachliche Ausbildung qualifiziert ist. Ich glaube nicht, dass Alex die Gefühle einer Transfrau wirklich nachvollziehen kann. Auch ich kann sie nur mit dem Verstand zu erfassen versuchen. Und es klingt da ein wenig von einem messianischen Heilsversprechen durch: Folgt meinem Beispiel, ihr Transgender, tut was ich tue, lebt, was ich vorlebe, und alles wird gut, ganz ohne Psychotherapie, Hormone und Skalpell! Dazu kann man eigentlich nur lächeln und den Kopf schütteln.

Was auch immer Alex an Richtigem schreibt, was er gut beobachtet und durchschaut hat, was er Richtiges tut, um Gender-Stereotypen sozial und künstlerisch aufzubrechen, durch solche kurzsichtigen Aussagen macht er es zunichte und sich selbst in mancher Hinsicht zum feindseligen Außenseiter.

Es ist eigentlich jammerschade!

Und noch mehr Begriffe


Bin ich jetzt pansexuell? Reicht mir bisexuell nicht mehr? Wäre multisexuell eine Möglichkeit? Muss ich mir (und anderen) gestehen, jetzt genderfluid oder genderqueer zu sein? Oder bin ich a-, poly- oder gar multigender? Oder bin ich einfach nur eine neunmalkluge kleine Hirnwichserin mitten im Sprachlabyrinth?

Jedesmal, wenn irgendein queeres Menschlein nicht mehr bequem in seinem Gender-Bettchen schlummert, wälzt es sich herum und erfindet ein neues Wort. Das scheint einfach der Lauf der Welt zu sein.

Manchmal muss es gar kein neues Wort sein. Man kann auch Wörter okkupieren und ihnen eine neue Bedeutung aufprägen. So wie das derzeit mit dem Wort „transident“ versucht wird (es soll den Begriff „transsexuell“ ersetzen, also in seiner Bedeutung deutlich verengt werden).

Fürs Protokoll: Ich bin wahrscheinlich nicht pan- sondern höchstens multisexuell, weil ich nicht jede Erscheinungsform von Geschlecht und Geschlechtsrolle gleich anziehend finde. Und ich bin wohl auch nicht genderfluid, weil ich regelmäßig versuche, eine von zwei möglichen Geschlechtsrollen zu leben. Und wenn ich ab und zu doch ganz bewusst Grenzgänge versuche, rutsche ich meistens mehr auf die weibliche Seite. Und überdies genügt mir dann auch das schöne alte Wort „androgyn“.

Published in: on 23. August 2016 at 22:26  Kommentare deaktiviert für Und noch mehr Begriffe  
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Weil es nicht um die Wurst geht!


Der Sieg der Conchita Wurst als Kandidatin Österreichs und des ORF beim Eurovision Song Contest (ESC) ist eine außerordentlich politische Sache. Natürlich singt sie ausgezeichnet, und das Lied dürfte beim Geschmack von Jury und Publikum kein Risiko eingegangen sein. Aber ein schwuler Sänger, der in der Bühnenrolle einer eleganten Frau mit Bart Karriere macht und damit nahezu alle möglichen Geschlechts- und Geschlechtsrollen-Grenzen durchkreuzt, das ist natürlich ein unbestreitbarer genuin-queerer Triumph. Und als solcher wurde er wohl auch erdacht und erwogen.

Dass Conchita in einem Interview den Satz „Ich weiß nicht, ob er zuguckt. Aber falls ja, sage ich ganz klar: Wir sind unaufhaltbar“ in Richtung des russischen Diktators – „Präsident“ erscheint mir inzwischen als ein etwas verharmlosender Begriff – Wladimir Putin abgeschossen hat, zeigt ganz klar, dass ihr Sieg beim ESC den Kontinent weniger in Friede, Freude und Musik vereinen als weiter spalten könnte. Spalten in eine Rechte, die die Gesellschaften „des Westens“ für „schwul“ und dekadent hält und im faschistoiden Weg Russlands den richtigen Weg sieht, und die Anhänger/innen einer freien und toleranten Gesellschaftsordnung. Aber das ist nicht Conchitas Schuld, sie hat diese Tatsache nur verdeutlicht.

Ich glaube nicht, dass Putin Conchita darauf antworten wird. Aber irgendeine Form von Antwort der Rechten werden wir sehen.

Bumm-Bumm-Bumm!


Nein, das wird jetzt kein Kommentar zur angespannten Lage in der Ukraine. Heute beschäftige ich mich mit unernsten Dingen!

In der letzten Freitagnacht war ich strawanzen, wie man auf gut Wienerisch sagt. Schließlich bin ich, nach einer Zwischenstation im „Dots“ (schräges Sushi-Restaurant und Bar/Lounge, am Wochenende mit eigenem DJ) in einer Disco gelandet, noch dazu im „Why not“, einem der bekanntesten queeren Clubs von Wien am Tiefen Graben, ungefährer Publikumsmix: etwa 80 Prozent Männer, mehrheitlich schwul, 20 Prozent Frauen, davon geschätzt die Hälfte neugierige Heteras, der Rest Lesben. Ab und zu mischt sich auch ein Mann-Frau-Pärchen in die Menge (–> neugierige Heteros). Ich mache mir nicht die Mühe, die Bi-Anteile zu schätzen! Als Spezialzutat jüngst mit im Mix: ein Transvestit (Tanja).

Im „Why not“ wird es erst gegen Mitternacht wirklich lebendig, wenn der Dancefloor im Keller aufgesperrt wird, und der DJ seine Schicht beginnt. Und genau dorthin zieht es mich. Es ist die Neugier, ja die Neugier. Tanja ist keine Disco-Queen. Ich war in jüngeren Jahren immer konsequente/r Verweigerer/in aller Arten von rhythmischer Bewegung im Takt von Musik. Aber irgendwas muss da dran sein. Ausprobieren ist die Lösung!

Was das reine Wissen angeht, so verstehe ich auch wenig bis gar nichts von aktueller elektronischer Tanzmusik. Ich kann nicht einschätzen, ob der DJ sein Handwerk versteht. Ich habe bloß so ein Gefühl. Ich kann auch die verschiedenen Stile und Techniken nicht auseinanderhalten. Ich tanze auch nicht gut. Mein Rhythmusgefühl ist,,,,naja, nicht sehr gut halt, und mit fast 47 habe ich mich sicher auch schon gelenkiger und leichtfüßiger bewegt. Doch ich versuche es. Gut eineinhalb Stunden bewege ich mich zur Musik.

Tanja hat dafür eine recht bühnenreife Aufmachung gewählt: schwarzes, figurbetontes Kleid mit tiefem Ausschnitt, schwarze Pumps (mit nicht-zu-hohen Absätzen), Fishnets, rote Kurzhaarfrisur (keine Brille), Gürtel und Modeschmuck in Gold. Gut eineinhalb Stunden, bis lange nach Eins, drehe und wiege ich mich auf der Tanzfläche. Bumm, bumm, bumm hämmert die Musik, das Stroboskoplicht blitzt, und es ist ist betäubend und betörend zugleich. Es ist das, was ich Extase nennen könnte, wäre so etwas für mich möglich. Ich genieße es – doch ich bin nicht naiv. Ich hebe den Altersschnitt auf der Tanzfläche deutlich, und da sind sicher ein paar in der Menge, die hinter meinem Rücken über mich lachen.

Sollen sie doch! Es geht um mich, ich möchte hier Spaß haben, aus mir heraustreten, etwas Verrücktes tun! Ich will nur frei schwingen, Alkohol habe ich einigen im Verlauf des Abends konsumiert, doch ich suche weder andere Drogen (keine Ahnung, ob ich welche gefunden hätte) noch Sex (keine Ahnung, ob ich welchen gefunden hätte, schwule Männer mögen Tivis, aber eher nicht als Sexpartner/innen).

Als es am Schönsten ist, höre ich auf. Es ist gegen Zwei an einem eher kühlen Samstagmorgen im April. Um Zehn bin ich mit meiner Liebsten verabredet, und etwas Schlaf werde auch ich brauchen. Ich verlasse den Klub, in den immer noch Leute strömen, eher schnell und suche auf der Straße nach einem Taxi. Das „Bumm-Bumm-Bumm“ klingelt noch lange in meinen Ohren.